Wie stark nutzen die Schweizer die chinesischen Plattformen zum Einkaufen? Die Universität St. Gallen ist dem nachgegangen und kommt zum Schluss: Mehr als die Hälfte haben dort schon eingekauft, und es dürfte sich nicht um einen kurzfristigen Trend handeln.
Der Onlinehandel in der Schweiz ist im vergangenen Jahr wieder leicht gewachsen. Ein wichtiger Treiber für dieses Wachstum waren die chinesischen Anbieter, bei denen immer mehr Schweizer einkaufen. Ein wichtiger Grund für ihre Beliebtheit liegt in den günstigen Preisen. Welcher chinesische Anbieter liegt in der Gunst der Schweizer vorne, welche Altersgruppen sind für das chinesische Angebot besonders empfänglich und gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Um diese Fragen zu beantworten, hat das Institut für Handelsmanagement der Universität St.Gallen eine Studie zur Internetnutzung in der Schweiz Ende 2024 durchgeführt. Mehr als 1.300 Personen aus der Deutsch- und Westschweiz wurden zu ihrer Internetnutzung befragt. Ein wesentlicher Teil dieser Forschung widmet sich dem Einkaufsverhalten in der Schweiz und der Wahrnehmung verschiedener E-Commerce Anbieter.
Chinesische Anbieter erobern zunehmend den Schweizer Markt
Ende 2024 belegen erstmals drei chinesische Anbieter einen Top-10-Platz im Ranking der beliebtesten Online-Händler. Besonders auffällig ist der Aufstieg von Temu, einer Plattform, die erst 2022 gegründet wurde und in der Schweiz nun bereits den vierten Platz belegt. Damit hat Temu etablierte Schweizer Handelsunternehmen wie Digitec.ch und Brack.ch überholt (siehe Abbildung 1).

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Abbildung 1: Top 10 der Schweizer Online-Händler (Rudolph et al., 2024)
Unsere Umfrageergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) bereits bei mindestens einem chinesischen Anbieter eingekauft hat. Temu (59 Prozent), Shein (58 Prozent) und AliExpress (50 Prozent) weisen darüber hinaus eine hohe Wiederkaufabsicht auf Kundenseite auf.
Allerdings zeigt sich, dass insbesondere bei Wish nur etwa ein Drittel (31 Prozent) der Befragten plant, dort erneut einzukaufen. Der ehemalige Senkrechtstarter Wish hat mit vielen Problemen zu kämpfen, worauf Schweizer Kunden sauer reagieren. Dennoch schätzen viele Schweizer das Angebot aus dem Reich der Mitte. Hauptgrund sind die günstigen Preise (83 Prozent Zustimmung). Auch die große Produktauswahl spielt für viele Befragte eine wichtige Rolle (65 Prozent Zustimmung).
Temu ist besonders beliebt (siehe Abbildung 2). Nur neun Prozent der Schweizer haben noch nie von dieser Plattform gehört. Mehr als ein Drittel der Befragten haben bereits bei Temu eingekauft. Je nach Sprachregion bestehen jedoch Unterschiede. So sind die chinesischen Anbieter in der Westschweiz populärer: In der französischsprachigen Schweiz werden Plattformen wie Temu, Shein, Ali Express und Wish häufiger genutzt als in der Deutschschweiz.

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Abbildung 2: Bekanntheit chinesischer Online-Händler in der Schweiz (Rudolph et al., 2024)
Alle Altersgruppen setzen verstärkt auf chinesische Händler
Es sind nicht immer nur junge Kunden, die bei chinesischen Online-Händlern einkaufen. Das trifft insbesondere für Temu zu, das über alle Altersgruppen hinweg konstant gut abschneidet. Einige chinesische Anbieter werden jedoch nicht von allen Altersgruppen gleichermaßen genutzt. Der Onlinehändler Shein, der primär Kleidung verkauft, genießt vor allem bei den Unter-25-Jährigen eine hohe Bekanntheit. Doch auch bei den Über-55-Jährigen haben mehr als die Hälfte bereits von Shein gehört. Die Altersgruppe der 25-bis-34-Jährigen kauft besonders häufig bei Wish ein, und bei Ali Express sind die 35-bis-54-Jährigen die wichtigste Zielgruppe. Über ein Drittel dieser Gruppe hat dort bereits eingekauft.
Frauen dominieren die Nutzung, Männer kaufen weniger
Interessant fällt der Geschlechtervergleich aus: Frauen nutzen chinesische Online-Händler deutlich häufiger als Männer. Bei Temu liegt der Anteil der Nutzerinnen bei 43 Prozent, während nur 29 Prozent der Männer dort einkaufen.
Noch deutlicher wird dieser Unterschied bei Shein, wo 27 Prozent der befragten Frauen, aber nur sieben Prozent der Männer bereits eingekauft haben. Dies deutet auf ein unterschiedliches Konsumverhalten zwischen den Geschlechtern hin, insbesondere bei Anbietern, die Mode und Accessoires im Fokus haben. Bei Ali Express und Wish fallen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern weit kleiner aus.

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Abbildung 3: Bekanntheit chinesischer Onlinehändler in der Schweiz nach Geschlecht (Rudolph et al., 2024)
Fazit
Der Einfluss chinesischer Händler in der Schweiz wächst. Mehr als die Hälfte der Schweizer haben die neuen Unternehmen schon getestet und auch die Wiederkaufsabsicht lässt darauf schließen, dass es sich nicht nur um einen kurzfristigen Trend handelt. Vor allem das niedrigere Preisniveau der chinesischen Handelsunternehmen lockt viele Schweizer Kunden an.
Unser jüngster Preisvergleich zwischen Temu und Action, den wir im November und Januar durchgeführt haben, förderte zwei interessante Erkenntnisse zutage. Erstens war die Hälfte der untersuchten Produkte von Temu bereits zwei Monate später nicht mehr auf deren Webseite verfügbar. Und zweitens stiegen die Preise von Temu innerhalb von nur zwei Monaten um mehr als 20 Prozent (siehe Rudolph et. al., 2025).
Quellen
Rudolph, T., Kralle, N., Gerlach, T. & Bierbaum, E. (2024). Internetnutzung und E-Commerce Schweiz 2024.
Rudolph, T., Schraml, C., Holenstein, L., Baumgartner, F., Bierbaum, E., Eggenschwiler, M., Gerlach, T., Heitbrink, L. & Sasse, A. (2025). Trend Report Action.