Im Lebensmittelonlinehandel ist der Shop des Händlers salopp ausgedrückt so etwas wie die digitale Form des Ladens, respektive des Regals. Dr. Matthias Schu zeigt in diesem Deep Dive aus seinem Buch „Das E-Food-Buch“, worauf es beim Purchase-Prozess ankommt.
Der Shop – das virtuelle Regal im E-Commerce
Für traditionelle Händler, die im Multi- oder bestenfalls Omnichannel-Modus im ECommerce aktiv sind, wie beispielsweise Rewe, Coop, Spar oder Walmart, bildet der Onlineshop – neben der Grundfunktionalität des Onlineeinkaufs – so etwas wie ein digitales Aushängeschild, das auch auf die Sortimentskompetenz einzahlt. Für Online Pure Player wie zum Beispiel Ocado, Picnic oder Farmy ist es der primäre Absatzkanal.
Für E-Food Händler ist der Purchase-Prozess als Element innerhalb der Customer Journey das zentrale Element, mit dem Wertschöpfung erzeugt und mit dem Interessierte Verbraucher zu hoffentlich glücklichen, wiederholt kaufenden Kunden transformiert werden können. Daher ist auf Shopgestaltung und Kundenführung im digitalen Verkaufsprozess ein besonderes Augenmerk zu legen. Insbesondere Einfachheit und ein durchgängiges Kundenerlebnis stehen dabei im Vordergrund. Oder anders formuliert: Ziel eines guten Shops ist ein reibungsloses Einkaufserlebnis durch kundenzentrierte Prozesse und ein durchdachtes, gut implementiertes UX Design. In der Praxis wird dies jedoch allzuoft, insbesondere bei Onlineshops von traditionellen, ursprünglich rein stationären Händlern, nur teilweise bedacht und es besteht noch Luft nach oben.
Im Frühjahr 2019 tauchte im Netz ein von manchen Blogs als «geleakt» bezeichnetes Dokument mit dem Titel «UX Playbook for Retail – Collection of best practices to delight your users» auf, das vom Suchmaschinenbetreiber Google verfasst wurde. Google analysierte dafür laut eigener Aussage hunderte von Onlineshops. Dabei wurde festgestellt, dass bestimmte Muster der Anordnung universeller UX Bausteine existieren, mit denen Onlinehändler ein naht- und reibungsloses Einkaufserlebnis für ihre Kunden schaffen und damit die Conversion innerhalb der Shops deutlich erhöhen können. Insgesamt wurden sechs Hauptfelder eruiert, deren Gestaltung sich massiv auf die Nutzerfreundlichkeit eines Shops auswirkt.
Diese sind:
- Startseite / Landingpage,
- Menü und Navigation,
- Suche,
- Kategorieseiten und Produktdetailseite,
- Conversion sowie
- Optimierung von Formularen und Eingabefeldern.
Diese sechs von Google identifizierten Hauptfelder werden ebenfalls im vorliegenden Werk genutzt, um – kombiniert mit Best Practice Beispielen – auf wichtige Punkte innerhalb des Purchase-Prozesses hinzuweisen. Zudem wird noch auf die Bedeutung von mobilen Endgeräten im Kaufprozess eingegangen. Ebenfalls weist Google prominent darauf hin, dass alle Empfehlungen bei Umsetzung im eigenen Shop zwingend einem A/B-Test unterzogen werden sollten, um die Wirksamkeit der eigenen Umsetzung zu überprüfen. Da eine Behandlung von A/B Tests nicht im Vordergrund dieses Werkes steht und den Rahmen sprengen würde, sei Interessierten das Buch «Die digitale Wachstumsstrategie» von Conversion-Guru André Morys als Lektüre empfohlen.
Die Startseite – das digitale Einfallstor
In der Regel stellt die Startseite, respektive eine entsprechende Landing Page, den ersten Berührungspunkt mit dem Verbraucher dar, der im eigenen Universum und nicht auf Seiten von Dritten, wie bspw. Suchmaschinen, stattfindet. Umso wichtiger ist es daher, insbesondere für Neukunden, klar die Services, Benefits und Leistungen, also die Value Proposition des Onlineshops hervorzuheben. Oder anders ausgedrückt: Warum sollte der Kunde ausgerechnet bei mir seine benötigten Lebensmittel online einkaufen.
Klare Value Proposition – den Kunden mit Benefits locken
Gerade für Kunden, die den Onlineshop nicht oder nur rudimentär kennen, ist es wichtig, dem Kunden nochmals die eigene Value Proposition aufzuzeigen. Also wofür steht der Onlineshop, was sind Kernleistungen, was kann der Kunde erwarten. Dies kann einerseits auf die Themen Sortiments- und Lieferleistung, aber auch auf Themenwochen oder Aktionen und Angebote mit Preisfokus angewendet werden.
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Startseite und Value Proposition im REWE Onlineshop
Ein Beispiel für eine gute Umsetzung der Value Proposition auf der Startseite bietet der deutsche Lebensmittel-Onlineshop von Rewe (vgl. Abbildung oben). Bereits im Banner wird die primäre Value Proposition für den Kunden beschrieben; im Onlineshop bestellen und die Einkäufe liefern lassen. Zudem werden weitere Argumente dieser Value Proposition wie «Grosses Sortiment », «Garantierte Frische», «Kein Schleppen» und «Zeit sparen» als Teaser gesetzt. Des Weiteren ist mit «So funktionierts» ein Link zu weitergehenden Informationen für E-Food Novizen vorhanden, die noch keine Erfahrung mit dem Lebensmittelonlinehandel sammeln konnten und unter dem erklärt wird, wie der Einkauf im Shop und die Lieferung vonstattengeht. Beim Online-Lieferdienst Bringmeister wird insbesondere die schnelle Lieferung als Value Proposition auf der Startseite in den Fokus gestellt.
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Startseite und Value Proposition bei Bringmeister.de
Weitere nutzenstiftende Informationen, wie bspw. «das volle EDEKASortiment», «Über 2’000 Produkte zu Discount-Preisen», die «Frischegarantie » und die Lieferung zur «Wunschzeit» erscheinen erst weiter unterhalb auf der Seite, nachdem der Kunde scrollt.
Wissen, was es gibt – Die Top Categories anzeigen
Um dem Kunden einen schnellen Überblick zu ermöglichen, kann es durchaus Sinn machen, ihm direkt auf der Startseite bereits die Topkategorien anzuzeigen. Da im Durchschnitt bei Kunden 85 Prozent der Produkte des Warenkorbs eines Wocheneinkaufs von Woche zu Woche gleichbleiben, ist es sinnvoll, dem Kunden die entweder volumen- oder umsatzmässig stärksten Kategorien direkt auf der Startseite verfügbar zu machen, ohne dass er sich durch verschiedene Kategoriebäume klicken muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Kunden die gleichen Produkte wünschen, ist dementsprechend hoch.
Der deutsche Online-Getränkelieferant Durstexpress (vgl. Abbildung unten) zeigt daher auf der Startseite unterhalb der Value Proposition-Argumente und einer Kachelreihe mit Empfehlungen seine Top-Kategorien «Wassersortiment», «Biersortiment», «Limonaden & Schorlen» sowie das «Saftsortiment» an. Darunter folgen pro Kategorie je eine Kachelreihe mit den drei Bestseller-Produkten je Kategorie.
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Topkategorienanzeige bei Durstexpress
Der australische E-Food Anbieter Coles, geht einen leicht anderen Weg (vgl. Abbildung unten). Dieser ordnet seine Topkategorien auf der Startseite horizontal als Kachelreihen an, in denen bereits Produkte zu sehen sind, die der angemeldete Kunde direkt in seinen Warenkorb legen kann. Zudem werden Angebots-Specials verschiedener Kategorien, wie bspw. aus der Kategorie Früchte und Gemüse, ebenfalls als klickbarer Banner auf der Startseite verlinkt.
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Darstellung der Topkategorien bei Coles
Das Startseitenkarussell – eine Funktion ohne Mehrwert?
In fast allen Onlineshops finden sich als bildgebende Elemente Banner und vor allem oftmals auch Startseitenkarussell-Elemente. Allerdings ist der Nutzen dieser Karusselle eher fraglich, wie diverse Klickstudien zeigen; meist wird nur die erste Position des Sliders geklickt, die folgenden betrachten die Kunden kaum. Google’s «UX Playbook for Retail» geht so weit, dass eine Vermeidung von automatisch durchlaufenden Karussellen, respektive «Image Slidern» empfohlen wird: Die Karusselle können von den Nutzern als Banner wahrgenommen werden und ignoriert werden Dafür gibt Google die folgenden Gründe an:
- Das menschliche Auge reagiert auf Bewegungen und wird vom automatischen Karussell abgelenkt; ergo werden die wirklich wichtigen Seiteninhalte übersehen.
- Zu viele Nachrichten auf dem Banner verwässern zu keiner klaren Aussage.
- Der Nutzer entwickelt auf Grund Informationsflut eine Banner-blindheit und beachtet diese nicht mehr.
Werden Karusselle verwendet, empfiehlt Google jedoch, diese standardmässig pausiert anzuzeigen und dem Nutzer die Möglichkeit zu geben, diese aktiv per Click zu starten; Der Nutzer sollte immer die Kontrolle haben.
Ein gutes Beispiel, dass ein Lebensmittelonlineshop auch gut ohne vielleicht WKZ-trächtiges Karussell-Gehabe auskommen kann, zeigt der deutsche Omnichannel-Lebensmittelhändler Real (vgl. Abbildung unten). Die Startseite überzeugt mit ruhiger, klarer Struktur, Verweisen auf die Topkategorien sowie einer klaren Darstellung der Value Proposition.
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Der E-Food Shop von Real – gute Übersicht und Struktur ohne Karussell
Als quasi Negativbeispiel kann die Seite des US-amerikanischen Händlers Walmart angeführt werden (vgl. Abbildung unten). Walmart nutzt ein automatisch durchlaufendes Startseitenkarussell. Positiv ist jedoch anzumerken, dass der Kunde dieses auch pausieren kann.
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Automatisches Startseitenkarussell bei Walmart
Folgende Unterpunkte würden in diesem Kapitel noch folgen:
- Social Proof – Meinungen und Siegel als Zeichen der Vertrauenswürdigkeit
- Der Footer – Aufgeräumtheit und Klarheit zahlt sich aus
- Call to Action Buttons – Dem Kunden klarmachen, wo er klicken soll
„Das E-Commerce-Buch“ ist erhältlich über www.dfv-fachbuch.de
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Das E-Food-Buch