In den vergangenen zehn Jahren hat sich die E-Commerce-Landschaft drastisch gewandelt – von ersten Schritten mit einfachen Shopsystemen hin zu großen, komplexen Plattformen und Marktplätzen. Um sich von der Konkurrenz abzuheben und Kunden einzigartige Einkaufserlebnisse zu ermöglichen, muss eine E-Commerce-Plattform heute hohe Ansprüche erfüllen. Stefan Wimmer vom Softwareanbieter Turbine Kreuzberg gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die Unternehmen bei ihren digitalen Commerce-Projekten beachten müssen.
Basis und Schwierigkeit eines jeden E-Commerce-Plattform-Projekts ist das Datenmanagement. Wichtig für Unternehmen ist es, eine durchdachte und klar definierte Datenstruktur zu haben. Das betrifft vor allem die Struktur und Qualität sowohl der Produkt- als auch der Kundendaten.
Die Basis: Datenmanagement
Um eine effiziente E-Commerce-Plattform aufzubauen, müssen Produktdaten kategorisiert und mit entsprechenden Attributen gepflegt sein sowie die richtige Struktur aufweisen. Nötig ist ein stetig gepflegtes Product-Information-Management (PIM)-System.
Bei einem E-Commerce-Projekt kommen viele Daten aus unterschiedlichen Systemen eines Unternehmens zusammen – aus dem Enterprise Ressource Planning (ERP), dem PIM, dem Abrechnungssystem, etc. Diese müssen eine gewisse Qualität aufweisen und auf einen Nenner gebracht werden, damit die geforderten und von Kunden gewünschten Prozesse implementiert werden können. Nur eine Plattform mit einer entsprechend hochqualitativen Datenbasis kann moderne Features, wie bspw. eine kundenspezifische Ansprache, effektiv nutzen.

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E-Commerce-Plattformen unterscheiden sich durch Looks oder Funktionalitäten. Bestimmten Anforderungen an Datenmanagement, Performance, Front- und Backend, Design und Fulfillment müssen aber alle gerecht werden.
Darüber hinaus sollten sich Unternehmen von ihren E-Commerce-Plattformen um ein umfangreiches Tracking bemühen, mit dem Ziel, ihre Zielgruppe besser kennenzulernen und so ein besseres Kundenerlebnis schaffen zu können. Die gesammelten Daten müssen jedoch auch richtig ausgelesen und interpretiert werden. Hier gilt es, Know-how aufzubauen. Datengestützte Entscheidungsfindung ist trotz Tracking oft noch selten.
Must-have: Performance
Wichtiger Bestandteil aller E-Commerce-Plattform-Projekte ist das Augenmerk auf Performance. Kunden sind an schnelle Ladezeiten und Prozesse in Echtzeit gewöhnt und erwarten diese mittlerweile überall. Dafür benötigt man einen hohen Automatisierungsgrad, damit die Prozesse im Hintergrund schnell abgewickelt werden, wie bspw. die Informationsweiterleitung an die Logistik für den Versand, an das Buchhaltungssystem für die Abrechnung und an das ERP für die Lagerbestandsaufnahme.
Dabei unterscheidet man unterschiedliche Arten von Performance je nach Anwendungsfall. Bei B2C-Plattformen sind es vor allem Performance-Maßstäbe wie Ladezeiten von Seiten oder die Performance beim Check-out, bspw. wenn gerade hunderte Kunden gleichzeitig im Check-out sind. Hier benötigt man schnelle und ausreichende Serverkapazitäten.
Im B2B-Bereich liegen die Herausforderungen meist woanders. Ein E-Commerce-System muss zum Beispiel in sehr kurzer Zeit viele Datenänderungen aus umliegenden Systemen wie dem ERP- oder PIM-System verarbeiten und an das Frontend weiterleiten.
Gerade beim Pricing, wenn unterschiedliche Kunden dynamische Preise angezeigt bekommen, die vom ERP-System auf Basis verschiedener Regeln aufgestellt wurden, ist eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit wichtig. Hier sind eine performante Infrastruktur und eine schnelle und fehlerfreie Kommunikation zwischen den Systemen entscheidend. Die Software muss die benötigten Rechenleistungen möglichst schnell ausführen können und die Infrastruktur sollte keine Bottlenecks aufweisen.
Darüber hinaus ist Stabilität ein für alle Unternehmen wichtiger Punkt – sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. Im B2B-Bereich können Ausfallzeiten schwerwiegende finanzielle Konsequenzen haben. Kunden im B2C-Bereich, die einen Ausfall erleben, kehren der Plattform tendenziell eher den Rücken. Für beides sind eine ausfallsichere Infrastruktur mit Backups und Fallback-Systemen sowie das Zusammenspiel von Application-Management und Entwicklung das Entscheidende.
Wichtig: Einfache Integration
Ein modularer Aufbau der E-Commerce-Lösung mit offenen Schnittstellen vereinfacht die Integration der Lösung in die IT-Unternehmensstruktur. So kann man sich passend zu den eigenen Anforderungen die Module zusammensetzen. Andere, nicht benötigte Features müssen nicht erst mühselig entfernt werden.
Dabei unterscheiden sich die bestehenden IT-Umgebungen von Unternehmen stark voneinander. Das ist eine der großen Herausforderungen bei der Integration einer E-Commerce-Plattform. Jedes Projekt ist anders und benötigt eine durchdachte Planung. Wichtig ist, ein gutes Assessment der bestehenden Struktur und der damit verbundenen Use-Cases zu haben. Eine fehlerhafte Integration kann nicht nur dazu führen, dass Informationen verlorengehen, sondern auch, dass am Ende komplette Business-Prozesse nicht abbildbar sind.
Auch muss man die Zukunftsfähigkeit beachten: Nur eine Integration mit offenen Schnittstellen und guter Dokumentation ermöglicht es, in Zukunft das System zu verändern oder auszutauschen, da man den genauen Aufbau kennt.
Fulfillment und Trennung von Back- und Frontend
Der Onlineriese Amazon hat einen Standard gesetzt. Kunden erwarten sowohl im B2C- und B2B-Bereich mittlerweile ähnliche Prozesse und Funktionalitäten. Gerade bei allen Aspekten des Fulfillments: Das heißt beispielsweise, dass die noch zur Verfügung stehende Anzahl des Produkts angezeigt wird, bis wann es geliefert werden kann, eine Auswahl unterschiedlicher Logistik-Provider ermöglicht wird oder Lieferstatus-Updates per Mail oder Tracking-ID gegeben werden. Diese Steuerungsprozesse werden vermehrt in das Commerce-System verlagert.
Ein weiterer wichtiger Punkt neben dem Fulfillment ist die Trennung von Front- und Backend. Wichtig dabei ist, dass die Kommunikation zwischen den beiden Bestandteilen der Plattform fehlerfrei stattfindet. Dazu kann man verschiedene Technologien nutzen, wie bspw. Microservices oder einen Message-Broker. Die Trennung bietet zudem die Möglichkeit, unterschiedliche Frontends für unterschiedliche Ausgabemedien zu schaffen. So kann ein Shopsystem ein Frontend sein, ein Lagerstandsystem für die Logistik ein anderes. Basis ist dasselbe Backend, dass die Dateneingabe beider Nutzergruppen zeitgleich abgleichen und aufnehmen kann.
Viele Unternehmen setzen bei ihren Online-Auftritten zudem auf ein „Unified Frontend“. Das heißt, in einem Frontend laufen viele unterschiedliche Informationen aus unterschiedlichen Systemen zusammen. So hat beispielsweise die Seite eines Onlineshops nicht nur einen E-Commerce-Part mit Einkaufsmöglichkeiten, sondern noch einen News-Bereich oder ein Forum, die von einem Content-Management-System (CMS) gespeist werden. Motivation dahinter ist, dem Konsumenten eine bessere User-Experience zu bieten, indem man die Seite mit anspruchsvollem oder hilfreichem Content erweitert.
Ausblick: Alte Probleme, neue Mittel
Was in Zukunft wichtige Aspekte von E-Commerce-Plattformen sein werden, ist schwierig vorauszusagen. Die Anforderungsprofile und Herausforderungen sind zwar seit vielen Jahren die gleichen – Datenmanagement, Performance, Integration. Geändert haben sich allerdings die Mittel, die zur Verfügung stehen.
Ein verbessertes Datenmanagement wäre für künstliche Intelligenz ein vielversprechender Einsatzort: Eine KI, die Datensätze von unterschiedlichen Systemen aufnimmt und darauf trainiert ist, diese Daten zu vereinheitlichen und am besten noch qualitativ aufzuwerten, wäre für E-Commerce-Plattformbetreiber ein Game-Changer. Gepflegte, qualitativ hochwertige Daten sind der Beschleuniger aller Innovationen. Sie können bessere Kundenerlebnisse schaffen und helfen, die Bedürfnisse zielgerichteter zu befriedigen. Unternehmen haben heute bereits große Datensätze ihrer Kunden, KI könnte dabei helfen, diese besser zu verstehen und auszuwerten.
E-Commerce-Plattformen gibt es viele. Sie bestechen teilweise durch sehr unterschiedliche Looks oder Funktionalitäten, die Besten unter ihnen erfüllen jedoch vor allem die oben genannten Anforderungen: ein gutes Datenmanagement, hohe Performance, ein getrenntes Front- und Backend, ein nutzerzentriertes Design und gut organisierte Fulfillment-Prozesse. Bspw. ermöglicht eine Plattform, dass alle individuellen Anforderungen an das Fulfillment möglichst einfach realisiert werden können. Unternehmen, die eine eigene E-Commerce-Lösung einführen möchten, sollten sich im Klaren sein, auf welche Aspekte sie bei der Planung und Implementierung besonders achten müssen.