Eindrücke von der Messe Retail’s Big Show
Die US-amerikanische NRF Retail’s Big Show setzt im Januar die Themen für das Jahr. Agnes Bührmann von Publicis Sapient war dort und schildert in ihrem Gastbeitrag die Themen, die in New York im Mittelpunkt standen: mehr Diversifizierung der Kanäle, mehr Personalisierung – und natürlich mehr KI.
Die NRF Retail’s Big Show war wieder einmal eine Handelsmesse der Superlative. Sie zog vom 12. bis zum 14. Januar in New York City rund 40.000 Besucher an, die mehr als 6.200 Marken, 1.000 Aussteller und 105 Länder Aussteller repräsentierten – ein inspirierendes Branchentreffen für die Entscheidungsträger des Einzelhandels.
Ein Überblick über wichtigsten Themen:
Diversifizierung der Kanäle
E-Commerce hat das vergangene Jahrzehnt entscheidend geprägt und wird die Handelslandschaft weiter transformieren – als Stichwort sei hier nur Social Commerce genannt. Die Einzelhändler, die ursprünglich aus dem stationären Handel kommen, haben massiv investiert, diversifiziert und den „Omnichannel-Commerce“ aus der Taufe gehoben.
Bereits im vorigen Jahr war auf der NRF zu hören, dass gerade für Händler mit einer starken Filialpräsenz die Margen im physischen Store verdient werden. Nach wie vor werden in den USA über 80 Prozent des Einzelhandelsumsatzes „in-store“ erzielt – wo man den Vorteil der ungeteilten Aufmerksamkeit der Kunden hat. Nun ist zu beobachten, dass auch Technologieanbieter, die ihre Wurzeln in der Online-Welt haben, reagieren. Beispiele sind die Übernahme des POS-Anbieters Predict Spring durch Salesforce oder die jüngste Ankündigung von Commercetools, auch den Check-out im Laden zu unterstützen.
Die jüngsten Entwicklungen fördern eine weitere Diversifizierung und Flexibilität zwischen den Kanälen.
Optimierungspotenziale durch KI
Während KI im vorigen Jahr generell die Messediskussion im IT- und Digitalkontext dominierte, zeigte die diesjährige NRF die Umsetzung in konkreten Anwendungen. Praktisch alle Lösungsanbieter und Aussteller haben ihre Produkte um KI-Komponenten erweitert. Die Händler haben Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Use Cases gesammelt. Gerade im Handel mit seinen immensen Datenmengen und dem Bedarf an sofortigen Ergebnissen und Auswertungen sehen alle großes Potenzial.
David Solomon, CEO von Goldman Sachs, betonte, dass KI-Tools das globale BIP über einen Zeitraum von zehn Jahren um sieben Prozent (oder fast sieben Billionen Dollar) steigern und das Produktivitätswachstum um 1,5 Prozentpunkte erhöhen könnten. „Wir stehen erst am Anfang der Kurve.“
Dieser Schatz könne nur gehoben werden, wenn man den fundamentalen Wandel zulasse und neben der IT vor allem Prozesse und Arbeitsweisen hinterfrage und anpasse. „Fundamental change is hard“ – aber auch eine Chance, die die CEOs und ihre Unternehmen ergreifen werden.
Nachhaltige Personalisierung und Kundenzentrierung
Verbraucher honorieren persönliche Ansprache und individuelle Beratung mit Loyalität und Umsatz. Nicht zuletzt deshalb bieten immer mehr Händler eigene, meist rein App-basierte Kundenbindungsprogramme an. Ein aktuelles Beispiel ist der Start des Rewe-eigenen Bonusprogramms nach dem Ausstieg aus Payback.
Doch wie wird aus einer produktorientierten Organisation, wie sie Handelsunternehmen typischerweise sind – alle Prozesse und Systeme drehen sich um die Beschaffung, Distribution und den Verkauf von Waren –, eine nachhaltig kundenzentrierte Organisation? Um entsprechende Veränderungen herbeizuführen, ist das Verständnis und die Unterstützung des Managements unabdingbar. Erst dann gelingt die praktische Umsetzung, die in der Regel eine Zusammenführung und Vereinheitlichung der Datenbasis erfordert.
Auch im Store ist die Personalisierung auf dem Vormarsch. Neue technische Möglichkeiten wie die biometrische Authentifizierung an der Kasse oder personalisierte Ansprache über neue Digital-Signage-Technologien bereichern die Einkaufswelt.
Entscheider müssen sich aber auch einer drängenden Frage stellen: Ist die Einteilung in Generationenkohorten wirklich zielführend oder sollten Händler die Konsumenten nicht eher nach ihrem Einkommen betrachten? Der weltweite demografische Wandel macht eine andere Strategie gerade gegenüber den älteren und tendenziell wohlhabenderen Generationen überlegenswert.
Die NRF zog auch dieses Jahr ein breites Publikum mit zahlreichen deutschen Branchenvertretern an. Dabei könnten die Rahmenbedingungen zwischen den USA und Deutschland nicht unterschiedlicher sein. Während der scheidende NRF-Präsident John Furner überraschend positive Zahlen für den US-Handel im Jahr 2024 verkünden konnte, tun sich die Wirtschaft und auch der private Konsum in Deutschland bekanntlich schwer, auf den Wachstumspfad zurückzukehren.
Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangslagen zeigt die starke internationale Präsenz im Javits Center, wie wichtig der Austausch zwischen den verschiedenen Handelsdisziplinen ist: sei es zwischen dem klassischen Lebensmittelhandel und dem Mode-, DIY- oder Fachhandel, zwischen den Kontinenten und auch zwischen E-Commerce und stationärem Handel.