Seit einem Jahrzehnt verfolgt Marilyn Repp Tech- und Digital-Hypes. Derzeit treibt sie die Frage um: Was kommt nach dem KI-Hype? In diesem Beitrag sagt die Etailment-Expertin, was die vergangenen Tech-Hypes auslöste und gibt zum Schluss einen heißen Tipp auf den nächsten Trend ab.
Stellen Sie sich vor, Sie organisieren Konferenzen rund um eine bestimmte Branche. Warum gehen Menschen zu dieser Konferenz und zahlen teilweise Hunderte von Euro, um dabei sein zu dürfen? Genau, sie erwarten sich Insights, Tipps & Tricks und vor allem: den heiß begehrten Blick in die Zukunft.
Was kommt? Wie kann ich in meinem Unternehmen klug dastehen und neue Projekte anstoßen? Wir alle brauchen den Blick in die Glaskugel. Und hier sind wir schon mittendrin im Problem: Niemand kann in die Zukunft blicken.
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Nichts ist so beständig wie der Wandel – wie wahr das Zitat, das dem griechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben wird, ist, zeigt sich bei technologischen Trends.
Deshalb mache ich es mir leicht und werfe erst einmal einen Blick in die Vergangenheit. Diese Tech-Trends konnte ich in den vergangenen Jahren ausfindig machen.
2009: Cloud Computing
2011: Big Data
2014: Internet of Things
2016: Virtual Reality
2017: Blockchain
2018: Künstliche Intelligenz
2021: Metaverse/Web3
2022: Künstliche Intelligenz
2024 – Was kommt als Nächstes?
Man kann neue Hypes kaum voraussagen. Meistens gibt es einen Auslöser, der einen ohnehin abflachenden Trend ablöst. So war das 2021 mit dem Metaverse-Hype, als sich Facebook im Oktober in Meta umbenannte. Und so war es dann ein gutes Jahr später, als der Metaverse-Hype durch den KI-Trend abgelöst wurde. Ausgelöst wurde das durch die Veröffentlichung von ChatGPT Ende des Jahres 2022.
Wenn wir uns die obige Liste ansehen, fällt auf: Bald muss etwas Neues kommen.
Im März 2024 beschwor Jensen Huang vom US-Überflieger und Chip-Entwickler Nvidia: „Der ChatGPT-Moment für Robotik könnte unmittelbar bevorstehen.“ Roboter sollten künftig nur dadurch lernen, dass sie Menschen beobachten. Das wird durch die fortschreitende Grundlagentechnologie künstliche Intelligenz möglich. Huangs Vortrag war vielbeachtet. Einen neuen Tech-Hype hat er aber noch nicht ausgelöst. Ich glaube trotzdem, dass es in diese Richtung gehen wird: Roboter, die durch KI schlau werden.
Die magische Kombination aus KI und Robotik
Der Personalmangel ist in vielen Branchen bereits bittere Realität. Aussicht auf Besserung gibt es aufgrund des demographischen Wandels nicht. Hier liegt ein Gedanke nahe: Können Roboter an einigen Stellen Menschen ersetzen?
An intelligenten Softwaresystemen wird gearbeitet, und die Anwendungen werden immer besser, eben durch künstliche Intelligenz. Nun gilt es, der Software eine Hardware zu geben, die echte Probleme löst. Wir denken sofort an selbstfahrende Autos und an Pflegeroboter. Was ist hier für den Handel zu erwarten?
Robotik im Einzelhandel
Im Retail wird Robotik bereits eingesetzt, hier vor allem in der Logistik und im Lager. Decathlon nutzt RFID-Roboter, die abends über die Fläche fahren und alle Produkte scannen. So wird ein Warenbestandsabgleich möglich. Das geht natürlich nur, wenn alle Produkte RFID-getaggt sind. Das ist keine KI, hebt aber trotzdem Effizienz und entlastet die Belegschaft.
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„Hype-Indikator“ Google Trends: Das relative Suchinteresse wird anhand der Häufigkeit eines bestimmten Suchbegriffs, hier Metaverse, ermittelt und anhand einer aufsteigenden und wieder abflachenden Kurve dargestellt.
Werden im stationären Bereich bald Roboter als Verkäufer eingesetzt? Daran glaube ich nicht. Die Akzeptanz der Kundschaft ist dafür nicht vorhanden. Außerdem sind die Roboter derzeit noch zu langsam, sie hören schlecht, stehen im Weg herum und wirken dadurch befremdlich. Hier muss noch an der Convenience und an der Usability gearbeitet werden.
Ich tippe deshalb auf Robotik bzw. eine Kombination aus KI und Robotik als nächsten Tech-Hype. Hype heißt aber noch lange nicht, dass die Technologie in den Unternehmen oder Haushalten tatsächlich Anwendung findet.
Hype versus gesellschaftliche Durchdringung
Sie kann sich erst dann durchsetzen, wenn in weiten Teilen der Bevölkerung ein Verständnis über die Funktionsweise der Technologie herrscht und Vertrauen aufgebaut wurde.
Ein Beispiel: Cloud Computing. Heute eine Selbstverständlichkeit. Vor einigen Jahren wurde hierbei zuallererst skeptisch gefragt: Liegen meine Daten dann in den USA oder in Asien? Meine Daten sollen in Deutschland gespeichert werden. Heute ist das den meisten Menschen egal, weil sie die Technologie kennen und auf sie vertrauen.
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Ein anderes Beispiel: 2018 gab es schon einmal einen Hype um künstliche Intelligenz. Viele Events fanden dazu statt und fragten danach, was die Grundlagentechnologie der Welt wohl bringt. Das Problem war: Es gab zu wenige Anwendungen und zu wenige Beispiele. Der Trend flachte wieder ab, und man blieb mit Fragezeichen zurück. Ganz anders der jetzige KI-Hype, ausgelöst durch ChatGPT.
Aufbauend auf Open-Source-Trainingsdaten gibt es inzwischen unzählige günstige, einfach zu nutzende Tools, bei deren Nutzung einem oft der Atem wegbleibt. KI ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Menschen konnten durch die vielen Beispiele und einfachen Tools verstehen, was künstliche Intelligenz ist und warum sie nützlich ist.