Emotionen sind ein wesentlicher Verkaufshebel – doch ausgerechnet bei Produktbeschreibungen kommen sie in Deutschland nur selten zum Einsatz. Warum deutsche Nüchternheit zu Umsatzeinbußen führt und warum Onlineshops dringend etwas daran ändern sollten, erklärt Michael Witzenleiter, Gründer und Geschäftsführer von Conversion Maker, in diesem Expertenbeitrag.
Produkttexte haben einen enormen Einfluss auf die Conversion Rate. Neben den Bildern stellen sie im E-Commerce häufig die einzige Möglichkeit dar, um Kunden zu überzeugen und alle offenen Fragen zu klären.
Was Produktbeschreibungen konkret leisten können, wird vor allem durch einen Blick in die Vereinigten Staaten deutlich. Ein Beispiel: Im Onlineshop von Walmart wird ein aufblasbarer Whirlpool für 378 Dollar angeboten – keine unwesentliche Investition, bei der potenzielle Käufer umso sicherer gehen wollen, dass das Produkt ihren Vorstellungen entspricht. Während Produktbeschreibungen in Deutschland oft kurz gehalten und von nüchternen Fakten geprägt sind, liest sich der erste Satz der Beschreibung bei Walmart so:
After a long day, there’s nothing more relaxing than sinking into warm, bubbling water right in your own backyard.

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Gerade im Weihnachtsgeschäft können Gefühle den entscheidenden Unterschied machen. Das sollten auch Produkttexter beachten.
Anstatt alleine mit Produktattributen zu glänzen, packt der Einzelhandelsriese seine Kunden mit Emotionen und adressiert genau das Gefühl, das sie sich vermeintlich von dem Kauf eines Whirlpools versprechen.
Viele Shops scheitern schon an der Rechtschreibung
Dass eine solch emotionale Ansprache auch in Deutschland funktioniert, konnte im Rahmen von A/B-Tests längst bewiesen werden. Einem Sportartikelhändler gelang es auf diese Weise sogar, seine Conversion-Rate um 28% zu steigern. Produktbeschreibungen nicht hinsichtlich ihrer Emotionalität zu optimieren, kostet also bares Geld. Allerdings scheitern viele Shops in der Praxis schon an sehr viel banaleren Dingen wie beispielsweise der Rechtschreibung.
Um herauszufinden, wie gut der deutsche Handel in dieser Hinsicht aufgestellt ist, hat Conversion Maker knapp 1,3 Millionen Produkttexte der 20 umsatzstärksten Onlineshops untersucht. Das Ergebnis: Im Schnitt gibt es keine Beschreibung ohne Rechtschreibfehler – tatsächlich sind es rund 1,4 Fehler pro Text. Typische Fehler sind:
- fehlende oder überflüssige Leerzeichen
- Vergessen eines Buchstabens (z.B.: „Fassungbefestigung“ oder „Inenleuchte“)
- Verwechslung von „r“ und „t“ (z.B.: „mir“ statt „mit“)
Mangelnde Priorisierung
Laut dem aktuellen Report „Was Online-Shopper wirklich denken“, der von dem Unternehmen Inriver herausgegeben wurde, veranlassen schlechte Produktinformationen mehr als die Hälfte der Kunden dazu, in einem anderen Shop einzukaufen. Dennoch sind die Gründe für schlechte Produkttexte vielfältig. Oft mangelt es an einer angemessenen Priorisierung und es wird schlichtweg zu wenig Zeit in die Erstellung guter Produkttexte investiert.
Das hat einerseits zur Folge, dass ein starker Fokus auf den Fakten liegt. Diese werden durch unzählige Füllwörter und Adjektive verbunden, anstatt den tatsächlichen Nutzen und die Emotionen auszuformulieren, die mit dem Kauf des jeweiligen Produkts einhergehen. Andererseits führt Zeitmangel dazu, dass die erstellten Beschreibungen selten bis nie überprüft und korrigiert werden.
Ein wirklich guter Produkttext sollte sich durch folgende Merkmale auszeichnen:
- Er sollte idealerweise um die 200 Wörter umfassen – je nachdem, ob das Produkt sehr erklärungsbedürftig ist, können es auch etwas mehr oder weniger sein.
- Eine gute Lesbarkeit ist wichtig, dabei ist das Vermeiden von Rechtschreib- und Grammatikfehlern ein absolutes Muss.
- Es müssen alle wichtigen Informationen enthalten sein, die für den Kauf ausschlaggebend sein könnten – im Falle von Kleidungsstücken sind das zum Beispiel nicht nur die Farbe und das Material, sondern auch die Passform oder Waschhinweise.
- Das Produkt sollte in einen emotionalen Kontext gesetzt werden.
Weihnachten ist die Zeit der Gefühle
Gerade jetzt, wo die umsatzstärkste Zeit des Jahres in vollem Gange ist und Millionen Menschen auf der Suche nach passenden Geschenken für ihre Liebsten sind, können Emotionen den entscheidenden Unterschied machen. In Fernseh- und Außenwerbung ist das absolut üblich. Einige Werbespots sind sogar so emotional, dass es selbst gelangweilten Zuschauern die Tränen in die Augen treibt.
Der folgende Produkttext ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass genau dieser Mechanismus auch im E-Commerce funktioniert:
Erinnert ihr euch noch an die Zeiten, als die Teenage Mutant Ninja Turtles die Helden eurer Kindheit waren? Als die Weihnachtsferien bedeuteten, dass ihr ungestört vor dem Fernseher hängen und in eine Welt voller Abenteuer eintauchen konntet? Hallo, liebe 80s-Kids, jetzt ist es an der Zeit, diesen nostalgischen Zauber erneut zu erleben und das ultimative Geschenk unter euren Weihnachtsbaum zu legen – mit der „Teenage Mutant Ninja Turtles: Shredder’s Revenge Anniversary Edition“.
Ähnlich wie bei dem Walmart-Beispiel zielt auch dieser Produkttext auf das Gefühl ab, das das beschriebene Produkt bestenfalls bei den Käufern – oder den Beschenkten – auslösen soll. Dabei lassen sich nicht nur Spiele für die Konsole in einen emotionalen Kontext setzen, der schöne Erinnerungen an eine unbeschwerte Lebensphase hervorruft. Selbst für ein vermeintlich langweiliges Produkt wie Kopierpapier lässt sich auf diese Weise eine emotionalisierende Beschreibung erstellen, die aus der Masse heraussticht und garantiert die Konversionsrate verbessert.
Keine Angst vor emotionsgeladenen Texten
Genau an dieser Stelle ergibt sich allerdings ein Paradoxon: Denn obwohl die verkaufsentscheidende Wirkung guter, emotionaler Produktbeschreibungen längst bekannt ist, scheint es fast so, als scheute der deutsche E-Commerce sich davor, sie einzusetzen. Was genau der Grund für diese Diskrepanz ist, bleibt offen – vielleicht ist es die deutsche Zurückhaltung, die hier durchschlägt, vielleicht fehlt es denjenigen, die für die Produktbeschreibungen zuständig sind, aber auch einfach an der nötigen Marketing-Affinität.
Deutsche Händler müssen sich mehr trauen. Chinesische Konkurrenzunternehmen wie Shein und Temu können aufgrund der sprachlichen Barriere zwar ebenfalls nicht durch ansprechende Produktbeschreibungen punkten, dafür wecken sie Emotionen durch bunte Farben und Gamification.
Um dem auf Dauer standhalten zu können, wird es Zeit, dass der deutsche E-Commerce sich seiner Vorzüge bewusst wird. Viele hoffen auf den positiven Effekt von Produktbewertungen, dabei könnten sie durch ein geschicktes Zusammenspiel von Bewertungen und Beschreibungen noch viel mehr aus ihrem Onlinesortiment herausholen.