Shein, Temu und Tiktok zeigen deutlich, woher derzeit die Impulse im Bereich E-Commerce und Social-Commerce kommen. Anlass für den Etailment-Experten Markus Caspari, in einem dritten Teil der Serie über „Social Commerce in China“ über Bilibili zu berichten. Bilibili startete zunächst als Plattform für Anime, Comics und Games (ACG) und wandelte sich im Zeitverlauf zu einer thematisch breit aufgestellten Youtube-Alternative.
Um die Geschichte von Bilibili zu verstehen, muss man sich die Entwicklung von zwei Unternehmen anschauen, die fast parallel starteten.
Im Jahr 2007 erfolgte durch einen Studenten die Gründung einer Plattform mit dem Namen „Acfun“. Manche kannten die Spaß-Community auch unter dem Namen „Station A“. Sie richtete sich an ACG-Interessierte. Intensiv-Nutzer kreierten später dann eine Mirror-Website namens „Micufence“, weil der Gründer mit den immensen Kosten für den Betrieb der Website Acfun zu kämpfen hatte. Es war nicht die Idee, mit Acfun zu konkurrieren, sondern vielmehr sollte es ein Back-up für den Fall der Fälle sein.

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Bilibili zählt zu den meistbesuchten Websites in China.
Später wurde Micufence dann in Bilibili umbenannt. Nachdem immer mehr User folgten, nannten manche Nutzer die Plattform auch „Station B“. Beide Plattformen wuchsen, aber die User-Experience von Bilibili war besser. Daher gelang es Bilibili mehr und mehr Content-Ersteller von sich zu überzeugen. Im Jahr 2010 wurde dann das „unterlegene“ Acfun (aka Station A) an zwei Top-Manager von Shanda Games verkauft.
Die Geschichte: Station A und Station B
Bilibili (aka Station B) selbst war immer noch ein Hobby Projekt. Nachdem Venture-Capital-Geber eine Finanzierungsabsage erteilten, entschied sich der Gründer zunächst für den weiteren Aufbau ohne Fremdkapital. Erst zu einem späteren Zeitpunkt kam dann schließlich Tech-Entrepreneur Chen Rui als Angel-Investor und Consultant zu Bilibili und sorgte für weiteres Wachstum. Später engagierte sich mit IDG Capital Partner, die auch schon Investor beispielsweise bei Tencent und Baidu waren, ein weiterer Kapitalgeber.
IDG Capital Partners wollte eigentlich zunächst in Acfun (aka Station A) investieren, allerdings wandelte sich Acfun gerade in ein Gaming-Live-Streaming-Unternehmen und lehnte das Investment ab. Sie stellten aber den Kontakt zu Bilibili her, und schließlich wurde IDG Capital Partners im Jahr 2013 Investor von Bilibili. 2018 wurde Bilibili dann erstmals an der Börse gelistet, und 2019 beteiligte sich Alibaba an dem jungen Unternehmen.
Der Status quo
Heute erwirtschaftet Bilibili seine Umsätze mit Games, Ads und E-Commerce und ist sowohl an der Nasdaq als auch in Hong Kong gelistet. Ungewöhnlich ist, dass die beiden Wettbewerber Tencent und Alibaba am Unternehmen beteiligt sind.
Im März 2023 hatte Bilibili laut Presseberichten durchschnittlich 326 Millionen monatlich aktive Nutzer (MAUs) – ein Wachstum von 20% im Jahresvergleich. Die durchschnittlich täglich aktiven Nutzer (DAUs) lagen bei 92,8 Millionen und damit um 29% über dem Vorjahreswert.
28,1 Millionen Nutzer (MPUs) waren bereit, für Bilibili zu zahlen. Ein Wachstum im Jahresvergleich von 15%. Der Umsatz für 2022 lag bei umgerechnet etwa 3,18 Milliarden Dollar. Heute hat Bilibili besonders viel nutzergenerierten Content im Vergleich zu anderen chinesischen Plattformen, die noch stärker auf Serien und Filme setzen. Das große Differenzierungsmerkmal von Bilibili ist daher die besonders starke Community.

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Ursprünglich als Plattform für Anime, Comics und Games konzipiert, setzt Bilibili heute verstärkt auf nutzergenerierten Content.
Differenzierung zum Wettbewerb
Der Content deckt mittlerweile alle Themenbereiche ab und nicht mehr nur die ursprüngliche Szene mit Anime, Comics und Games. Neben dem Schauen und Erstellen von Videos kann man Live-Streaming veranstalten oder Serien anschauen. Wichtige Unterschiede in der Funktionalität und Usability zu beispielsweise Youtube sind die „Bullet Comments“ bzw. „Titels“. Dabei handelt es sich um Kommentare, die über das Video „fliegen“.
Dadurch wird eine andere und besondere User-Experience geschaffen: Es fühlt sich für die Nutzer so an, als ob man jetzt gerade zusammen mit anderen das Video gemeinsam schaut. Dadurch wird ein gewisser Live-Charakter simuliert und die weitere Interaktion gefördert.
Darüber hinaus gab es bereits vor mehreren Jahren die Möglichkeit, Content-Kreatoren mit sogenannten Coins zu unterstützen. Die Coins sind deutlich stärker als ein normaler Like, da Coins in der Anzahl limitiert sind – anders als Likes. Außerdem veranstaltet Bilibili viele große Offline-Events, bei denen Content-Ersteller und Community zusammengebracht werden, um so das Gemeinschaftsgefühl weiter zu stärken.
KI und „echte“ Redakteure
Knapp 75% der Nutzer sind jünger als 24 Jahre, 14% sind zwischen 24 und 35 Jahren und 11% sind über 35 Jahre. Die den Nutzern angezeigten Inhalte basieren aus einer Kombination von KI-Empfehlungen und echten Redakteuren bzw. Editoren.
Dadurch wird vermieden, dass Rezipienten immer nur Inhalte aus ihrem Kern-Themenspektrum ausgespielt bekommen. So soll einer Social-Media-Blase vorgebeugt werden bzw. dieser Nachteil wird zumindest vergleichweise klein gehalten.
Die Umsatzquellen
Bei Bilibili gibt es zwar Anzeigen, aber nicht in der Form und vor allem dem Umfang, wie wir es in Deutschland von Youtube kennen. Die Bilibili-Umsätze werden neben Advertising aus Memberships (Paid Content), Gaming und E-Commerce generiert. Die Kreatoren verdienen vor allem an Kooperationen mit Marken – sprich mit Influencer-Marketing – und nicht primär mit dem Teilen von Adsales-Revenue.
Im Jahr 2022 erzielte Bilibili laut Statista 23% seiner Umsätze mit Mobile Games, 40% mit Value-Added-Service (u.a. Mitgliedschaften, Livestreaming-Services …), 23% mit Anzeigen und 14% mit E-Commerce. Der relative Anteil der Werbeeinnahmen am Gesamtumsatz hat sich seit 2019 somit innerhalb von drei Jahren von knapp 12% auf fast 23% Gesamtanteil verdoppelt.
Somit geht Bilibili einen genau umgekehrten Weg als einige westliche Plattformen: hin zu Advertising, weg von ausschließlich Umsätzen mit E-Commerce und Value-Added-Service. Im Ergebnis haben aber alle das gleiche Ziel: Sie möchten die Erlösquellen stärker diversifizieren.