Die Zeiten sind hart, auch für das Marktplatzgeschäft. Die Zeit willkürlichen Warenwachstums ist vorbei, und über den Erfolg von Marken und Marktplätzen entscheidet inzwischen vor allem, was wo angeboten wird. Etailment-Experte Marcel Brindöpke erklärt in diesem Beitrag, warum Marktplätze bei Marken inzwischen genauer hingucken und warum Kuratieren der neue Longtail ist.
Die Zeiten sind hart im E-Commerce. Umsätze stagnieren oder wachsen moderat, leider ganz im Gegensatz zu den Kosten. Logistik, Plattformprovisionen, Carrierkosten, Retail-Media und steigende Retourenquoten wirken als Beschleuniger. Hinzu kommt ein Preisdruck auf Waren, ausgelöst durch die inflationsbedingte Konsumzurückhaltung, die auf einen Überfluss an Ware trifft.
Für das Marktplatzgeschäft sind diese Entwicklungen bitter, lebt das Modell doch davon, dass man zu beherrschbaren Transaktionskosten seine Produkte zu attraktiven Preisen so verkauft bekommt, dass diese Transaktion einen positiven Ergebnisbeitrag liefert. Entsprechend scheint daher das bisher geltende Prinzip, dass man mit einigen Grundregeln (Mindestpreis, Länderauswahl) nahezu jedes Produkt überall verkaufen konnte, beendet.

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Nicht nur Zalando hat sich vom ungebremsten Wachstum verabschiedet und will künftig mehr Wert auf die Rendite legen.
Jetzt beginnt die wirkliche Arbeit
Plattformen wie Zalando beschleunigen die Entwicklung, indem sie die Warenmenge nun deutlich begrenzen, mit dem Verweis auf einen abnehmenden Grenznutzen für die Kunden durch noch mehr Ware – ein Paradigmenwechsel, der sicher nicht überall gilt. Otto.market ist mit vielen Millionen Artikeln gerade erst losgelaufen und wird massiv ausbauen – ist allerdings auch als Vollsortimenter unterwegs und daher eher Richtung Amazon als Zalando schielend.
Das kann man entweder beweinen oder sich den veränderten Spielregeln stellen. Auf der K5 und dem ECD waren sich Experten, Marken und Plattformen in einer Sache einig: Die Zeit des willkürlichen und einfach zu erzielenden Warenwachstums ist vorbei, jetzt beginnt die Arbeit wirklich, um rentabel zu sein – auf Marken- und Marktplatzseite.
Doch wie kann man nun erfolgreich sein? Dafür bedarf es eines Blickes in den Maschinenraum des Business-Models. Das Marktplatzgeschäft ist primär aufgrund von vier Faktoren insbesondere für Händler interessant:
- Zum einen lässt sich das Sortiment recht risikolos erweitern, man muss nicht mehr alles einkaufen.
- Darüber hinaus ermöglicht die Backfill-Logik, dass Waren nicht oder erst spät ausverkauft sind, was die Kundenzufriedenheit und Conversion erhöht (neben vielen anderen positiven Aspekten).
- Und es ermöglicht Händlern, zielgruppengerecht andere Sortimente anzubieten, die im bisherigen Handelsmodell nicht angeboten werden können, da die Wertschöpfungsketten diese gar nicht ermöglichen, z.B. logistisch oder durch die Datentaxonomie.
- Das alles sollte zudem dazu führen, dass man als Plattform nicht austauschbar wird, da man sonst keinen USP hat und Kunden teuer kaufen/ halten/ wiedergewinnen muss.
Für Marken gilt insbesondere,
- dass im Marktplatzgeschäft der Kundenwert keine Rolle spielt, vielmehr jeder Kauf einen positiven Beitrag abwerfen sollte.
- Zudem sollte das eigene D2C-Business durch das Marktplatzgeschäft bestmöglich ergänzt werden.
- Zu guter Letzt sollte es keine Abhängigkeit von einem Geschäftsmodell und/ oder einer Plattform geben.
Möchten beide Seiten erfolgreich sein, so ist es inzwischen entscheidend, was wo angeboten wird, damit es für beide Seiten sinnstiftend ist. Gerade kuratierte Plattformen werden bei Marken restriktiver und gucken inzwischen genauer hin, was für eine Marke hinzukommt und welchen Beitrag sie leistet: Ähnlichkeit zu anderen Marken, Qualitäten, Preisklassen, Social-Media-Präsenz, etc. Werden Händler benötigt, um Backfill-Optionen zu gewährleisten?
Das manuelle Arbeiten kommt an seine Grenzen
Marken sind zudem gezwungen, sehr genau zu rechnen, welche Produkte auf welchen Plattformen und Ländern angeboten werden, damit sie rentabel bleiben. Ist man weit vorne und kann sein Sortiment noch sinnhaft bewerben? Wo ist man eine reine Backfill-Variante und wie ist die Interaktion mit dem eigenen Shop? Alles überall anbieten? Das ist inzwischen nicht mehr sinnvoll.
Marktplätze üben über ihre Spielregeln und ggf. auch über die Governance eine Kuratierung aus, Marken müssen folgen und ebenfalls auf Produkt-, wenn nicht EAN-Ebene schauen, wo sie was anbieten. Der aufmerksame Leser wird sich fragen, wie insbesondere Marken diesen erhöhten Aufwand leisten sollen, wenn sie doch eigentlich rentabler arbeiten müssen.
In der Tat: Das manuelle Arbeiten wird hier an ein Ende kommen. Intelligente Softwarelösungen werden in der Kuration und dem täglichen Sortimentsmanagement unterstützen müssen. Hier steht die Branche am Anfang, sowohl was die Bereitstellung von Daten als auch die schlaue Nutzung durch Systeme angeht. Ein schönes Feld übrigens, in dem Plattformen und Marken kooperieren können.