
Die grüne Logistik Realität werden zu lassen, ist eine Mammutaufgabe. Alleine die Investitionen in die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs müssen sich verzehnfachen. Und das ist längst nicht die einzige Herausforderung.
In der Weltmetropole New York versammelte sich vor kurzem die globale Klima-Community zur alljährlichen Climate Week. 22 CEOs und Führungskräfte aus den Bereichen Automotive, Finanzen, Handel, Infrastruktur und Regierung nutzten die Gelegenheit, für die grüne Logistik einen frischen Impuls zu setzen. Ihre Absicht: nachhaltige Güterverkehrskorridore vorantreiben.
Auf wichtigen Frachtrouten sollen nach ihrer Vorstellung grüne Straßenkorridore entstehen, die Industriecluster, Häfen und Städte miteinander verbinden. Mit gemeinsamen Investitionen sollen Verkehrs- und Infrastruktursysteme entstehen, die zur Umstellung auf Netto-Null beitragen. Im Blick hat die Initiative unter Führung des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) laut Mitteilung derzeit die Länder Indien, Mexiko, Polen und die Vereinigten Staaten.
Gemeinsam wollen Unternehmen Wucht entfalten
Warum der Vorstoß? Christoph Wolff, CEO des Smart Freight Centre (SFC) in Amsterdam, das an der Initiative beteiligt ist, erklärt, dass der Bedarf an schnellen und koordinierten Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Logistik noch nie so groß gewesen sei wie heute. Anders bringe man die notwendige Wucht für die Transformation zu grünen Logistik nicht auf die Straße.
Infrastrukturunternehmen, Flottenbetreiber, Investoren und Regierungen müssten ihre Kräfte bündeln und ihre Aktivitäten abstimmen, so die Initiative. Die Idee: Wenn die Unternehmen im Kollektiv auftreten, zum Beispiel bei der Beschaffung von Elektrofahrzeugen für bestimmte Transportrouten, senden sie damit den Regierungen auch ein Signal, wo investiert werden muss. Bei der Finanzierung sollen Lösungen wie Kreditbündelungen und Stromkostengarantien helfen, das Risiko großer Infrastrukturinvestitionen zu senken. Aggregierte Betriebsdaten können bei der Optimierung und Planung der Ladeinfrastruktur nützlich sein.
Enorme Investitionen in Antriebswechsel notwendig
Die grüne Logistik Realität werden zu lassen, ist eine Mammutaufgabe. Alleine die Investitionen in die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs müssen nach Angaben des Informationsdienstleisters BloombergNEF bis 2030 um das Zehnfache auf etwa 200 bis 300 Milliarden US-Dollar jährlich ansteigen, um den Übergang zu elektrischen mittelschweren und schweren Nutzfahrzeugen zu schaffen, der zur Erreichung der globalen Klimaziele erforderlich ist.
Denn letztlich bedeutet eine grünere Logistik im Kern, eine Lösung für den Güterverkehr auf der Straße zu finden. Durch umweltfreundlichere Antriebe, Verlagerung der Fracht auf nachhaltigere Transportmittel und mehr Effizienz. Denn der Straßengüterverkehr ist mit Abstand der größte Treibhausgasemittent innerhalb der Logistiknetzwerke.
Auf den Transport von Gütern entfallen nach Angaben des International Transport Forum von 2021 – über alle Transportmittel hinweg – weltweit 9,7 Prozent aller energiebezogenen Emissionen. Wobei diese Zahl noch deutlich zu niedrig sein dürfte, da wichtige Aspekte darin noch nicht berücksichtigt sind. Dazu zählen zum Beispiel die Treibhausgase, die bei der Produktion und Bereitstellung der Treibstoffe entstehen oder die Emissionen beim Bau der Lastwagen. Lagerung und Handling fallen dagegen weniger ins Gewicht. Sie werden von Fachleuten mit 1,5 bis zwei Prozent veranschlagt.
Klimaneutralität: Der Trend geht im Verkehr in die falsche Richtung
Wollen Staaten ihre Klimaneutralitätsziele erreichen, kommen sie nicht darum herum, die Emissionen aus dem Verkehr zu senken. Das betrifft die individuelle Mobilität, aber auch den Gütertransport. Schließlich verursachen Verkehr und Transport etwa ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen in der Europäischen Union. Die Fortschritte waren dafür bisher nicht nur zu klein, der Trend geht vielmehr sogar in die falsche Richtung.
„Luftverschmutzung, Lärm und Treibhausgasemissionen sind allesamt Herausforderungen, die noch nicht gelöst sind“, schreibt die EU-Umweltagentur in ihrem frisch veröffentlichten Bericht „Sustainability of Europe’s Mobility Systems“. „Im Gegensatz zu anderen Sektoren, die ihre Emissionen in den letzten Jahrzehnten reduziert haben, nehmen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen und einige Schadstoffe wie Ammoniak (NH3) und Distickstoffoxid (N2O) weiter zu“, so der Bericht.
Der Güterverkehr macht etwa ein Viertel der Verkehrsemissionen aus. Und: Etwa 53,8 Prozent des gesamten Frachtransports wurden im Jahr 2022 auf der Straße abgewickelt – ein Rekordhoch, mit weiter steigender Tendenz. Dies mache, so die Umweltagentur, „die Verringerung der Umweltauswirkungen des Güterverkehrssystems zu einer extremen Herausforderung“. Neben der Elektrifizierung des Verkehrs und dem Heben von Effizienzen, etwa der Vermeidung von Leerfahrten, müsse es daher unbedingt darum gehen, Fracht auf klimafreundlichere Transportmittel zu verlagern.
Die Logistik ist Täter und Opfer im Klimawandel
Die Logistik ist nicht nur ein Verursacher des Klimawandels, sondern auch ein Opfer. Darauf weist der Hamburger Logistikprofessor Alan McKinnon von der Kühne Logistics University in einem Aufsatz hin. Die Folgen des Klimawandels werden für sie zu einer riesigen Herausforderung. Mehr Hitze bedeutet stärkere Kühlung bei den Transporten, steigende Meeresspiegel gefährden küstennahe Lagerhäuser, heftigere Regenfälle und Stürme führen zu Störungen in den Abläufen.
Und mit dem Klimawandel verändert sich auch das Konsumverhalten und es verschieben sich Produktionsregionen. Schlagendes Beispiel dafür ist der Anbau von Getreide, Gemüse oder Obst, der stark von Temperaturen und Niederschlägen abhängig ist. Auch die Anpassung an den Klimawandel geht nicht ohne die Logistikinfrastruktur: der Aufbau der erneuerbaren Energien, die Entwicklung klimaangepasster Städte oder die Entstehung der Kreislaufwirtschaft führen zu neuen Anforderungen an die Logistik. Genauso wie Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nach Klimakatastrophen.
Fünf Handlungsfelder für eine grüne Logistik
Um die Auswirkungen auf ihre Netzwerke möglichst gering zu halten, hat die Branche daher ein Interesse daran, den Klimawandel möglichst wirksam einzudämmen. Das ist allerdings viel leichter gesagt als getan. „Logistik-Emissionen sind schwer zu verringern“, so Experte McKinnon. Dafür gebe es vier Hauptgründe: Die starke Abhängigkeit von fossilen Energien; das prognostiziert starke Wachstum der Frachtströme; die Langlebigkeit von Vermögenswerten wie Lastwagen; sowie die starke Fragmentierung der Branche mit sehr vielen kleinen Akteuren mit geringen Margen, die in Investitionen in Nachhaltigkeit wenig Geschäftsnutzen sehen.
Ohne Hoffnung ist McKinnon gleichwohl nicht. „Auch wenn die Dekarbonisierung der logistischen Aktivitäten schwierig und kostspielig sein wird“, so der Fachmann, „so gibt es doch Mittel, um sie zu erreichen.“ Er umreißt dafür fünf grobe Handlungsfelder: Zuvorderst steht bei KcKinnon die Drosselung der Nachfrage nach Logistikdienstleistungen, gefolgt von der Verlagerung des Güterverkehrs auf CO2-ärmere Verkehrsträger, die Optimierung der Auslastung der Logistikkapazitäten, die Verbesserung der Energieeffizienz sowie das Repowering mit kohlenstoffarmer Energie.
Nicht alles lässt sich gleich gut und gleich schnell umsetzen. Fahrtrainings für Lkw-Fahrer oder Slow-Steaming in der Schifffracht gehören zu den Low-Hanging-Fruits. Für grüne Logistikkorridore, die Industriecluster, Häfen und Städte nachhaltig miteinander verbinden, braucht es hingegen schlagkräftige Kooperationen wichtiger Akteure, die Impulse setzen und Dinge vorantreiben. Nötig ist wohl nichts weniger als eine logistische Meisterleistung.
Dieser Text erschien zuerst auf www.how-green-works.de.