Inflationsangst schlägt Klimaangst, so könnte man das Ergebnis einer aktuellen GfK-Studie zusammenfassen. Das Thema Nachhaltigkeit bleibt zwar für viele Verbraucher wichtig, allerdings können es sich immer weniger leisten, Einkaufsentscheidungen unter Umwelt- oder sozialen Aspekten zu treffen. Außerdem hegen immer mehr Kunden Skepsis gegenüber „Greenwashing“. Etailment hat mit der GfK-Expertin Petra Süptitz darüber gesprochen, wie Händler und Hersteller gerade in schwierigen Zeiten Vertrauen für nachhaltige Konzepte gewinnen.
Inflationsangst schlägt Klimaangst, so könnte man das Ergebnis einer aktuellen GfK-Studie zusammenfassen. Die finanziellen Sorgen der deutschen Verbraucher haben gegenüber 2022 deutlich zugenommen. In der aktuellen „Consumer-Life-Studie“ der GfK sind hohe Energie- und Lebensmittelpreise die größten Bedenken der Befragten.
Wer sich große Sorgen um die eigenen Finanzen macht, für den treten gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit meist erst einmal in den Hintergrund – mit erkennbaren Folgen für das Einkaufsverhalten: Die Bio-Branche klagt seit Monaten über einbrechende Umsätze.

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Besonders bei Artikeln des täglichen Bedarfs greifen viele Verbraucher derzeit zu günstigeren Alternativen und Preiseinstiegsprodukten.
Kommt der Trend zur Nachhaltigkeit beim Konsum nun zu einem abrupten Ende? Etailment hat mit Petra Süptitz, Expertin für Konsumententrends bei der GfK, darüber gesprochen.
Wie wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit derzeit für deutsche Verbraucher?
Die Sorge, nicht genug Geld zu haben, um Rechnungen zu bezahlen, ist inzwischen die zweitgrößte Angst der deutschen Verbraucher und hat damit die Sorge um den Klimawandel auf den dritten Platz verdrängt. Das führt dazu, dass zwei Drittel der Deutschen bewusster einkaufen, viele Menschen häufiger zum Discounter gehen oder günstigere Handelsmarken einkaufen.
Die Sorge um Inflation und hohe Energiekosten führten Anfang des Jahres dazu, dass die Konsumenten in Deutschland weniger Einkäufe unter Nachhaltigkeitsaspekten planten. Zuletzt waren die Verbraucher wieder häufiger bereit, nachhaltig einzukaufen. So ist unser GfK-Nachhaltigkeitsindex, der die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten für die Kaufentscheidung misst, im April gegenüber Januar um 6,6 Punkte gestiegen.
Allerdings kaufen vor allem Verbraucher mit höherem Haushaltsbudget nachhaltig ein. Menschen mit geringerem Einkommen geben hingegen häufig an, dass ihnen ökologisch nachhaltige Produkte zu teuer sind, obwohl für sie der Schutz der Umwelt als persönlicher Wert sogar etwas wichtiger ist als bei den Besserverdienenden.

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Petra Süptitz ist Director Marketing & Consumer Intelligence DACH bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg.
Welche Warengruppen sind davon am stärksten betroffen?
Bei größeren Anschaffungen wie beispielsweise von Möbeln oder elektronischen Geräten ist der Anteil der Konsumenten, die in den nächsten zwölf Monaten einen entsprechenden Kauf unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten planen, im April leicht auf 29% gestiegen. Von denjenigen, die einen nachhaltigen Einkauf planen, sind 70% bereit, für umweltfreundliche Produkte mehr zu bezahlen.
Bei Artikeln des täglichen Bedarfs scheint die Mehrpreisbereitschaft auf den ersten Blick etwas geringer zu sein als bei größeren Anschaffungen. Hier ist der Anteil der Verbraucher, die bereit sind, für nachhaltige FMCG-Produkte mehr Geld auszugeben, mit 65% etwas geringer. Die Konsumenten wissen aber, dass sie gerade bei Lebensmitteln auf günstigere nachhaltige Produkte ausweichen können und tun dies auch. Sie kaufen nach wie vor Bio-Produkte, sind dabei aber preisbewusster, vergleichen Angebote und greifen häufiger zu Alternativen wie etwa den Bio-Handelsmarken der Discounter.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung beim Konsumtrend Nachhaltigkeit ein?
Mit 65% hält die Mehrheit der Deutschen den Klimawandel weiterhin für ein ernstzunehmendes Thema. Für Verbraucher hat Nachhaltigkeit demnach eine konstant hohe Priorität, unabhängig von kurzfristigen Ablenkungen durch andere Krisen. Um langfristig am Markt erfolgreich zu sein und Wachstum zu sichern, müssen Händler daher schon heute entsprechende Nachhaltigkeitsstrategien umsetzen.
Inzwischen werben aber unzählige Unternehmen mit den Themen Klima und Nachhaltigkeit. Wie kann sich der einzelne Händler da noch profilieren?
Das funktioniert nur, wenn Nachhaltigkeit nicht ausschließlich auf dem Papier steht. Denn derzeit glaubt nur jeder fünfte Deutsche den Angaben von Unternehmen zu ihren umweltfreundlichen Aktivitäten. Um diese Skepsis gegenüber „Greenwashing“ zu überwinden, muss Nachhaltigkeit integraler Bestandteil eines Produktes sein. Dazu gehören neben Verpackung, Materialien und Recyclingfähigkeit auch Aspekte wie Transportwege, Reparierbarkeit, Langlebigkeit, Energie- und Wasserverbrauch sowie das Engagement des Unternehmens für wichtige gesellschaftliche Themen.
Denn auch wenn nachhaltiger Konsum häufig vor allem mit ökologischen Aspekten assoziiert wird, gewinnt auch soziale Verantwortung für die Deutschen an Bedeutung. Nur mit einer ganzheitlichen und authentischen Nachhaltigkeitsstrategie können Unternehmen das Vertrauen der Verbraucher gewinnen.
Das Interview führte Ulrike Sanz Grossón