Kleine und mittelständische Unternehmen agieren beim Thema KI oft noch zögerlich. Dabei sollten sich gerade Onlinehändler mit der Technologie befassen. Viele vermeintliche Hürden sind leicht überwindbar, sagt Ryan Chaves, Experte für maschinelles Lernen vom Zahlungsdienstleister Mollie. In diesem Gastbeitrag entwirft er einen Leitfaden für einen pragmatischen Zugang zu KI-Lösungen.
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Dennoch haben laut Statistischem Bundesamt bisher nur 10% der kleinen und 16% der mittleren Unternehmen in Deutschland KI in ihre Unternehmensprozesse integriert. Weitaus mehr Großunternehmen (35%) sind dabei, sich durch den Einsatz von KI einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber KMU zu sichern.
Doch was hält den Mittelstand von der KI-Implementierung ab? Es sind vor allem mangelnde Expertise, rechtliches Unwissen und fehlende Anwendungsbeispiele, die für KMU die größten Hürden darstellen (Mittelstand Digital).
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Kleine und mittlere Händler kommen nicht umhin, sich mit KI zu befassen, wenn sie nicht den Anschluss zu den großen Shops und Marktplätzen verlieren möchten.
Insbesondere im E-Commerce führt für kleine und mittlere Händler aber kein Weg daran vorbei, wenn sie nicht den Anschluss zu den Marktführern und global agierenden Marktplätzen verlieren möchten. An den folgenden drei Schritten können sich E-Commerce-Händler orientieren, um erfolgreich KI in ihr Unternehmen zu integrieren.
1. Ziele definieren
Unternehmen müssen zunächst ihre übergeordneten Ziele klar definieren, die als Leitfaden für die Planung und Umsetzung von KI-Initiativen dienen. Jede KI-Integration sollte zur Erfüllung dieser Ziele beitragen, um echten Mehrwert zu schaffen. Wird beispielsweise eine höhere Conversion-Rate angestrebt, können mithilfe von KI-Algorithmen personalisierte Produktempfehlungen angezeigt oder die beste Zahlungsmethode für einen bestimmten Kunden hervorgehoben werden.
Ein Schulterblick auf den Wettbewerb kann einen Überblick schaffen, wie andere Shops KI-Technologien nutzen. Solch eine Konkurrenzanalyse liefert wertvolle Informationen über aktuelle, aber auch aufkommende Trends, die die Tür zur vereinfachten KI-Implementierung öffnen können.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die gründliche Analyse und Bewertung der aktuellen Betriebsprozesse. Wo liegen die größten Herausforderungen und Engpässe? Ein Einzelhändler kann z. B. KI einsetzen, um die Lagerverwaltung zu optimieren und somit die Verfügbarkeit der Produkte durch KI-Vorhersagemodelle zu verbessern.
Von Chatbots im Kundenservice, KI in der Preisoptimierung und der Betrugsprävention bis hin zur Marketing-Automatisierung gibt es viele Bereiche, in denen KI-Tools Betriebsprozesse effizienter gestalten oder automatisieren. Durch die Identifizierung dieser Anwendungsfelder kann gezielt überlegt werden, wie und wo KI-Lösungen die größte Wirkung entfalten können.
2. Methoden wählen
KI-Erweiterungen des bereits bestehenden Tech-Stacks bieten einen smarten Einstieg, um nicht direkt ein KI-Team aufbauen oder neue Software erwerben zu müssen. So ist der Aufbau eines internen Teams von KI-Experten für die meisten kleinen und mittleren Onlinehändler viel zu kostspielig.
Viele KI-Funktionen sind inzwischen in bestehende Software integriert, was die Einführung besonders für KMU erleichtert. Cloud-Plattformen wie Google Cloud Platform, AWS oder Azure bieten z. B. KI-Lösungen mit wenig oder ganz ohne Code. Händler sollten sich an die Softwareanbieter wenden, um sich über neue Funktionen zu informieren, die oft in Beta- oder Demophasen eingeführt werden.
Entscheidet sich ein Onlinehändler, eine rundum neue Software in die Unternehmensprozesse zu integrieren, sollte er vor dem Kauf deren Skalierbarkeit und Flexibilität prüfen, um sicherzustellen, dass sie sich an zukünftige technologische Entwicklungen anpassen kann.
Zudem wichtig: Mittlerweile gibt es auf dem Markt viele benutzerfreundliche Gen-KI-Lösungen, die dank des schnellen technologischen Fortschritts leichter zugänglich sind und kein spezielles Fachwissen erfordern.
3. Rechtlich absichern
Händler müssen sich von Beginn an mit den rechtlichen Vorgaben und Gesetzen vertraut machen, die für die Nutzung von KI-Technologien gelten.
Bei der Integration neuer Tools, wie beispielsweise KI-gestützter Chatbots für den Kundensupport, ist es wichtig, die Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien zu aktualisieren. Dies beinhaltet vor allem den Umgang mit sensiblen Kundendaten, sodass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden und die Transparenz gegenüber den Nutzern gewahrt bleibt.
Besondere Aufmerksamkeit sollte außerdem dem bevorstehenden EU-KI-Gesetz gewidmet werden, das voraussichtlich 2026 in Kraft treten wird; davon sollten sich Händler aber nicht grundsätzlich abschrecken lassen: Strengere Vorschriften sind eher in Bereichen wie dem Gesundheitswesen oder Kreditrisikobewertungen zu erwarten.
Die neuen EU-KI-Richtlinien fordern von E-Commerce-Händlern in erster Linie Transparenz bei KI-Interaktionen mit Nutzern und klare und verständliche Informationen darüber, an welcher Stelle KI-Technologien eingesetzt werden. Unternehmen sollten sich rechtzeitig auf diese neuen Anforderungen vorbereiten und ihre internen Prozesse sowie Dokumentationen entsprechend anpassen.