Die Erwartungen an den Kundenservice steigen seit Jahren. Im Jahr 2025 wird dies noch sichtbarer. Kevin Filz von Foundever beleuchtet in seinem Gastbeitrag zentrale Entwicklungen, die Online-Händler im Auge behalten sollten: vom Einsatz Künstlicher Intelligenz über die neue Rolle des Kundenservice bis zur notwendigen Transparenz.
Kundinnen und Kunden legen immer mehr Wert auf schnelle Reaktionen, einen nahtlosen Austausch über alle Kommunikationskanäle hinweg und ein hohes Maß an Individualisierung. Wer im hart umkämpften Markt bestehen möchte, sollte nicht nur technische Werkzeuge wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Automatisierung richtig einsetzen, sondern vor allem auch kulturelle und organisatorische Weichen stellen.
1. KI als Service-Katalysator: Weit mehr als Chatbots
Künstliche Intelligenz hat längst den E-Commerce erobert, allerdings oft noch in Form einfacher Chatbots. Sie können zwar Routineanfragen bearbeiten, aber KI-Systeme der nächsten Generation gehen deutlich weiter. Sie analysieren Kundendaten in Echtzeit, erkennen Kaufabbrüche oder Stimmungsschwankungen in der Kommunikation und leiten daraus Handlungsempfehlungen ab. Entscheidend ist, dass die KI nicht nur automatisch reagiert, sondern relevante Informationen so bündelt, dass Service-Mitarbeitende schnell und individuell auf Kundinnen und Kunden eingehen können.
Ebenso wichtig wie die Bearbeitung aktueller Anliegen ist es, künftige Probleme frühzeitig zu erkennen. Ein System, das registriert, wann sich Kundinnen und Kunden nicht zurechtfinden oder wann technische Hürden entstehen, kann proaktiv helfen – etwa durch nützliche Hinweise oder direkte menschliche Unterstützung im Chat oder per Telefon. Dieses Prinzip nennt sich Predictive Service und geht über den reaktiven Kundenservice hinaus: Statt nur im Problemfall bereit zu stehen, hilft das System, Schwierigkeiten von vornherein zu vermeiden.
Praxistipps
• KI-gestützte Tools sorgfältig auswählen und auf die firmeneigenen Prozesse zuschneiden.
• Datensilos aufbrechen, damit die KI-Analysen aus allen Bereichen (Shop-System, CRM, Marketing) gespeist werden.
• Rückmeldungen und Erfahrungen von Servicemitarbeitenden in die Weiterentwicklung der Modelle einfließen lassen.
2. Kundenservice an jedem Ort: Omnichannel-Strategien als Must-have
Verbraucherinnen und Verbraucher wechseln heute mühelos zwischen Online-Shop, Smartphone-App und stationärem Geschäft. Kundendaten, Bestellhistorien oder Produktinformationen sollten daher zentral verfügbar sein. Wer Omnichannel-Strategien konsequent einsetzt, verhindert nicht nur, dass User ständig ihre Informationen wiederholt eingeben müssen, sondern schafft auch ein einheitliches Markenerlebnis.
Doch es geht um mehr als reine Datenverfügbarkeit: Kunden erwarten, dass ihre bisherigen Interaktionen mit der Marke bekannt sind und sie nicht jedes Mal von einem namenlosen Serviceagenten betreut werden. Auch wenn eine Anfrage im Chat begonnen hat, sollte der Kunde oder die Kundin das Gefühl haben, dass dieselbe Person auf eine spätere E-Mail antwortet und sich an vorherige Probleme erinnert. Ein intelligenter Omnichannel-Ansatz sorgt dafür, dass der Service nicht nur effizient, sondern auch persönlich und nahtlos wirkt.
Zudem möchten Kundinnen und Kunden einfache Anliegen – wie die Änderung von Rechnungsadressen oder das Nachverfolgen von Bestellungen – oft selbst erledigen, ohne dafür in einer Telefon-Warteschleife zu hängen. Mit gut durchdachten Self-Service-Portalen oder automatisierten Chat-Funktionen können Unternehmen einen großen Teil der Standardanfragen effizient bearbeiten. Wichtig ist eine benutzerfreundliche Gestaltung, damit niemand daran scheitert, ein Formular zu finden oder eine Funktion nicht zu verstehen.
Praxistipps
• Eine zentrale Datenplattform nutzen, um alle Kanäle zu verknüpfen.
• Self-Service-Angebote mit Tutorials oder kurzen Hilfetexten anreichern, um Barrieren abzubauen.
• Mobile Apps, E-Commerce-Plattform und Callcenter-Tools eng verzahnen, sodass niemand Daten doppelt pflegen muss.
3. Datenschutz und Ethik als Vertrauensanker
Unternehmen, die KI nutzen, verlassen sich stark auf Kundeninformationen: Klickverhalten, Einkaufsgewohnheiten, Kommunikationsmuster. Entsprechend sensibel ist das Thema Datenschutz. Wer zu offensiv personalisierte Werbung oder Rabatte einsetzt, riskiert ein Unbehagen bei der Kundschaft. 2025 wird das Thema „ethische KI“ noch relevanter, da regulatorische Vorgaben wie der EU AI Act das Bewusstsein für KI-getriebene Prozesse weiter schärfen werden.
In einer digitalisierten Welt, in der Datenschutzrichtlinien stärker und transparenter werden, kann ein Unternehmen mit klaren Leitlinien zu Fairness und Ethik punkten. Wer beispielsweise offenlegt, wie Empfehlungssysteme funktionieren und wozu Daten gespeichert werden, schafft eine vertrauensvolle Basis – was sich auf Dauer als Wettbewerbsvorteil erweisen kann.
Praxistipps
• Bereits jetzt interne Richtlinien für Datennutzung und KI-Modelle entwickeln.
• Kundinnen und Kunden in einer klaren Sprache erläutern, wie ihre Daten verwendet werden.
• Regelmäßige Audits oder Bias-Checks durchführen, um Diskriminierung in KI-Ergebnissen zu vermeiden.
4. Service als Umsatzmotor: Mehrwert statt Kostenfaktor
Der Kundenservice dient längst nicht mehr nur dazu, Reklamationen entgegenzunehmen. Wer versteht, welche Probleme oder Wünsche Kundinnen und Kunden haben, kann aktiv hilfreiche Produkte oder Services vorschlagen. Wichtig ist die Balance: Cross- und Upselling sollten stets einen echten Nutzen liefern, statt lediglich mehr zu verkaufen. Glaubwürdige Beratung während einer Reklamation kann beispielsweise Folgekäufe auslösen, wenn Kundinnen und Kunden sich gut aufgehoben fühlen.
KI- und Data-Analytics-Tools ermöglichen Echtzeit-Analysen, um relevante Angebote für Kundinnen und Kunden zu erstellen. Sie erkennen, ob jemand ein neues Hobby entdeckt oder nach einem Trendartikel sucht. Wenn solche Vorschläge als nützliche Hilfestellung wahrgenommen werden, steigt die Kaufbereitschaft. Auch Serviceagenten profitieren, indem sie personalisierte Cross- und Upselling-Angebote basierend auf Bestellhistorie und aktuellen Interaktionen unterbreiten. So können sie gezielt auf die Bedürfnisse der Kundschaft eingehen.
Praxistipps
• Servicemitarbeitende für Cross-Selling sensibilisieren und entsprechend schulen.
• Zugriff auf aktuelle Kundendaten in Echtzeit ermöglichen.
• Serviceprozesse und Vertrieb eng verzahnen, um ohne spürbare Reibungsverluste zusammenzuarbeiten.
5. Kulturwandel: Technologie braucht Akzeptanz
Selbst die beste KI-Technologie scheitert, wenn im Unternehmen Misstrauen oder Ablehnung gegenüber neuen Prozessen überwiegt. Ein offenes Mindset ist essenziell, damit Mitarbeitende neue Tools aktiv nutzen und kontinuierlich verbessern. Ist die Unternehmenskultur dagegen von Angst vor Fehlern oder Veränderungen geprägt, hilft auch die teuerste Lösung nicht weiter.
Change-Management und Schulungen: Damit Mitarbeitende KI-Angebote nicht als Bedrohung wahrnehmen, braucht es Transparenz: Wozu wird sie eingesetzt, welche Routineaufgaben fallen dadurch weg, was bleibt an wertschöpfenden Tätigkeiten für das Team? Regelmäßige Schulungen zu neuen Technologien, Feedback-Runden und das Teilen von Erfolgsgeschichten stärken die Motivation.
Praxistipps
• Offene Informationspolitik über Zweck und Nutzen neuer Werkzeuge.
• Schrittweise Einführung mit Pilotprojekten, bevor großflächig umgestellt wird.
• Erfolge im Kundenservice sichtbar machen, um Akzeptanz zu erhöhen.
6. Kooperationen und Outsourcing: Neue Wege zur Innovation
Immer mehr Unternehmen setzen im Bereich Kundenservice auf externe Dienstleister, um Lastspitzen aufzufangen oder spezielle Kompetenzen (zum Beispiel KI-Expertise, Mehrsprachigkeit) einzukaufen. Das klassische Outsourcing als reine Kostenfrage wird 2025 weiter an Bedeutung verlieren; vielmehr treten strategische Partnerschaften in den Vordergrund. Der Dienstleister kann dabei zum Innovationsmotor werden, wenn er neue Technologien und Best Practices einbringt.
In Wachstumsphasen stoßen interne Teams oft an Kapazitätsgrenzen. Besonders große BPO-Anbieter, die den Service für zahlreiche Unternehmen der E-Commerce-Branche übernehmen, bieten einen entscheidenden Vorteil. Durch ihre breiten Vergleichswerte und tiefen Einblicke in Best Practices können sie nicht nur Kapazitäten flexibel skalieren, sondern auch Optimierungspotenziale zeigen. Voraussetzung ist, dass beide Seiten Daten, Ziele und Qualitätsstandards offen teilen. Ihr branchenübergreifendes Wissen hilft Unternehmen, von erprobten Lösungen zu profitieren und den Kundenservice auf ein neues Level zu heben.
Praxistipps
• Vorab klären, welche Verantwortlichkeiten beim Dienstleister liegen und welche intern bleiben.
• Gemeinsame Kennzahlen (KPIs) und Vorgehensweisen definieren, um Qualität messbar zu halten.
• Dienstleister bewusst auswählen, die neben Kostenoptimierung auch Innovationskraft bieten.
7. Ausblick: Jetzt handeln, um morgen zu profitieren
Kundenservice wird zum entscheidenden Unterscheidungsmerkmal, denn die Kundenerwartungen steigen rasant. Schnelle Unterstützung, personalisierte Angebote und die Möglichkeit, alltägliche Anliegen selbst zu lösen, sind künftig Standardanforderungen. Unternehmen, die bereits heute in umfassende KI-Lösungen, reibungslose Omnichannel-Angebote und eine zukunftsorientierte Servicekultur investieren, sichern sich langfristig Wettbewerbsvorteile.
Gerade im E-Commerce kann serviceorientiertes Denken Umsatzchancen eröffnen, etwa durch passgenaue Empfehlungen im richtigen Moment. Dabei gilt jedoch stets: Ohne das Vertrauen der Kundinnen und Kunden geht es nicht. Datenschutz und eine transparente Kommunikation sind die Basis, auf der alle weiteren Innovationen aufbauen müssen. Wer es schafft, seine Technologie- und Kulturwende geschickt zu steuern und dabei stets die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick zu behalten, wird 2025 einen entscheidenden Schritt voraus sein.