Große Verkaufsplattformen wie Amazon üben eine enorme Marktmacht aus, die Händler und Marken sich zunutze machen können. Etailment-Gastautor Charles Desjardin von der Digitalagentur Valtech erklärt, wie Händler das Beste aus dem Amazon-Marktplatz herausholen, obwohl die Anforderungen von Amazon immer weiter steigen. Er sagt aber auch, in welchen Fällen es für Händler sinnvoll ist, sich jenseits von Amazon zu orientieren und welche Strategien helfen, mit den großen Marktplätzen zu konkurrieren.
Deutschlands große Onlinehändler üben eine enorme Marktmacht aus. Allen voran Amazon, doch auch der Mode-Spezialist Zalando ist nach Einschätzung der EU-Kommission so dominant, dass er als „bedeutende Internetplattform“ entsprechend reguliert wird. Um auf großen Marktplätzen erfolgreich zu sein, sollten Händler wissen, wann es sich lohnt, dort zu verkaufen.
Amazon eignet sich für etablierte Händler gut, um z. B. eigene Lagerüberbestände dank der großen Reichweite von Amazon zeitnah zu verkaufen und so Lagerkosten zu sparen. Oder Amazon kann ihnen dabei helfen, ihre Internationalisierung unter Ausnutzung der verschiedenen Amazon-Länder-Plattformen voranzutreiben. Händler, die neu in den Markt eintreten, benötigen erhebliches Startkapital, um Produkte zu niedrigen Stückpreisen zu kaufen oder zu produzieren, damit sich die geringen Gewinnmargen auf Amazon lohnen.

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Marktplätze wie Amazon und Ebay dominieren den Onlinehandel – doch Händler und Marken können auch jenseits der großen Verkaufsplattformen erfolgreich sein.
Marketingstrategien auf Amazon
Wichtig zu beachten ist darüber hinaus, dass Händler ihre Verkäufe mit einer ausgeklügelten Marketingstrategie ankurbeln. Nur so bleiben sie profitabel, falls Amazon einmal kurzfristig die Rahmenbedingungen, z. B. den tolerierten Lagerbestandsindex (IPI) ändert. Die relevanteste Werbeform für Händler sind Sponsored Products:
- Zunächst wird eine automatische Kampagne erstellt, für die Amazon automatisch die passenden Suchbegriffe für die Zielgruppe zuweist.
- Zwei Wochen nach Kampagnenstart sollten Händler den Keyword-Report von Amazon nutzen. Keywords, die eine gute Performance aufweisen, können nun noch gezielter in manuellen Kampagnen eingesetzt werden. Schlecht performende werden per „Negative Targeting List“ blockiert.
- Gut zu wissen: Händler zahlen nur dann für Kampagnen, wenn sie mit ihrem Angebot die „Buy Box“ gewinnen, d.h. als primäre Kaufoption erscheinen.
Erfolgsgeheimnisse für Sponsored-Products-Kampagnen
- Beliebte Suchbegriffe wie „Jeans“ sind teuer, aber lukrativ. Händler sollten sie nicht komplett meiden, sondern mit einem begrenzten Budget adressieren.
- Wenn sich ein Produkt schlecht verkauft, liegt das nicht unbedingt an den falschen Keywords. Händler sollten auch auf den Preis und die Produktpräsentation achten.
- Amazon bietet eine Reihe von Funktionen, mit denen der klassische Marketing-Funnel auf eine Sponsored-Products-Kampagne übertragen werden kann. Ein Beispiel ist das Targeting von Keywords mit verschiedenen „Match Types“. Man beginnt mit allgemeineren Keywords, um mehr Klicks zu erhalten. Dann werden spezifischere Keywords, sogenannte Longtail-Keywords, verwendet und schließlich werden Markennamen in die Keywords integriert.
- Mit Sponsored-Products-Kampagnen können auch einzelne Amazon-Produktnummern (ASINs) adressiert werden, um Wettbewerber über ihr Produktangebot anzugreifen oder eigene Produkte zu verteidigen.
Amazon bedeutet Abhängigkeit
Händler, die noch nicht über ausreichend eigene Bekanntheit verfügen, machen sich zu abhängig, wenn sie nur auf einen großen Marktplatz wie Amazon setzen, denn der Wettbewerb dort ist hart und Rahmenbedingungen können sich schnell ändern. Händler, die nur auf Amazon verkaufen, wissen langfristig wenig über ihre Kunden, da sie keinen Zugang zu den Kundendaten haben.
Es kann in bestimmten Fällen für Händler, die sich auf wenige Produkte, aber dafür mit besonders hohen Margen spezialisiert haben, sinnvoll sein, primär auf große Marktplätze wie Amazon zu setzen. Denn dann müssen sie weniger eigene Infrastruktur aufbauen. Aber breit aufgestellte und zugleich noch nicht ausreichend etablierte Händler sollten nicht von Anfang an alles auf eine Karte setzen.
Das ist für den Erfolg jenseits von Amazon wichtig
Händler können sich dabei entweder auf Kanäle wie ihre eigene Website oder Social Media konzentrieren oder je nach ihrem Kernsortiment auf Marktplätze von Drittanbietern ausweichen (z. B. im Bereich Nachhaltigkeitsprodukte).
Um erfolgreich zu sein, kommt es auf zwei Dinge an: eine Digitalisierungsstrategie, die Kundenzufriedenheit in den Fokus stellt, und die Entwicklung eigener USPs.
Durch Digitalisierung wettbewerbsfähig bleiben
- Experience: Eine gute CX steht im Mittelpunkt jeder erfolgreichen Geschäftsstrategie. Damit eine erfolgreiche CX gelingt, sollten die IT- und Marketingabteilungen der Händler stärker kooperieren. Ziel ist es, den Weg bis zum Check-out zu verkürzen und effizient zu halten. Außerdem sollte ein großer Fokus auf der Qualität und hohen Erreichbarkeit des Kundenservices liegen. Lassen sich z. B. Chatbots integrieren, die Anfragen vorentlasten?
- Ohne Daten läuft nichts: Ohne Data-Maturity und Data-Governance kann es keine Innovation geben. Denn es reicht nicht aus, Kundendaten zu sammeln. Entscheidend ist, sie gewinnbringend zu nutzen und dafür dürfen sie nicht in Silos liegen, sondern müssen zentral über die komplette Buyer-Journey gesammelt werden. Website-Sessions beim Händler sollten z. B. so aufgebaut sein, dass datenschutzkonform verfolgt werden kann, welche Produkte sich Kunden ansehen. So können relevantere Empfehlungen gegeben werden. Liegen Werbeeinwilligungen vor, sollten gezielt vergangene Bestellungen analysiert werden, um personalisierte Angebote zu unterbreiten.
Diese Fragen zu USPs sollte sich jeder Händler stellen
- Händler können bis zu 15% Gebühren sparen, wenn sie nicht über Amazon verkaufen. In welchem Umfang können diese Einsparungen an Kunden weitergegeben oder in Marketing investiert werden?
- Gibt es Vorteile / USPs für Verbraucher, bei einem anderen Händler als Amazon zu kaufen?
- Wie lange dauert der Versand? Kann man die eingesparten Amazon-Gebühren in einen schnellen Versand investieren, wenn es der Wettbewerb erfordert?
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