Beim Thema Rücksendungen drückt insbesondere Modehändler weiterhin der Schuh. Um Retouren zu vermeiden, gelten Entgelte und digitale Anproben als Mittel der Wahl, zur Reduzierung von Verpackungsmüll sollen neue Mehrwegsysteme beitragen. Der-Handel- und Etailment-Redakteurin Anna Ntemiris stellt einige neue Ideen vor.
Katharina Kreutzer hat es mit 24 Jahren auf die Bestenliste „30 unter 30“ des US-Magazins „Forbes“ geschafft. Die Mitgründerin des Hamburger Start-ups Boomerang entwickelt recycelte Mehrweg-Versandtaschen für Onlinehändler, inklusive Pfandsystem und Rückführlogistik. Ihr Unternehmen hat in der Verpackungsbranche damit ein großes Echo erhalten – und unter anderem den Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ gewonnen.
Bereits während ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und der anschließenden Bachelor-Arbeit zum Thema „Mehrweg im Handel“ setzte Kreutzer ihren Fokus auf Nachhaltigkeit. „Ich bin allerdings auch die Generation, die anders geprägt ist“, sagt sie. „Ich bestelle gern online, produziere auch Müll. Ich glaube nicht, dass wir komplett unser Leben verändern müssen, um mehr für die Umwelt zu tun.“

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Die Gründer des Versandtaschen-Start-ups Boomerang (v.l.): Christian Putz, Katharina Kreutzer und Marc Engelmann
Fast jedes vierte Paket geht zurück
Die Zahlen belegen Kreutzers Standpunkt: Fast jedes vierte Paket (24,2%) im E-Commerce geht laut Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg an die Händler zurück. 530 Millionen Retouren-Sendungen mit rund 1,3 Milliarden Artikeln wurden 2021 transportiert, davon waren 91% Fashion-Artikel.
Um diese hohe Rückführquote einzudämmen, gibt es bereits unterschiedliche Wege. In Deutschland zählen Zara oder H&M zu den Händlern, die von ihren Kunden bei Rücksendungen ein Entgelt von maximal zwei bis drei Euro verlangen. Insgesamt erheben aktuell 16% der Modeshops Retourenkosten – Tendenz steigend. Dies ergab eine Sonderauswertung der „Versandhandelsstudie 2023“ des E-Commerce-Dienstleisters Parcellab.
Eine weitere Maßnahme sind digitale Methoden, die die Trefferquote von Bestellungen steigern und so Retouren vermeiden sollen: Shoppen per Gesichtserkennung oder per virtueller Anprobe. Dafür gibt es inzwischen eine Reihe von Dienstleistern.

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Über Nachhaltigkeit sprechen
Retouren gelten aus Händlersicht als Gewinnvernichter, werden von deutschen Konsumenten aber oft vorausgesetzt. Trotzdem sei es wichtig zu differenzieren, rät Dr. Tobias Maria Günter, Experte in der Retail Practice der Unternehmensberatung Simon-Kucher. „Bei besonders großen oder extrem schweren Produkten wie Möbeln, Sportgeräten et cetera sollten Retouren kostenpflichtig sein“, sagt er. „Gleichzeitig kann ein Mindestbestellwert für Gratisretouren helfen, den Kostenfaktor einzudämmen. Einzige Ausnahme: beschädigte Waren. Diese sollten immer ohne Aufpreis zurückgesendet werden können.“
Händler sollten deutlich wahrnehmbar über ihre nachhaltigen Initiativen sprechen und sie als Teil der Versandstrategie verstehen, so der Experte weiter. „Ob CO2-Ausgleichszahlung, Re-Use von Kartons, reduzierter Plastikverbrauch oder digitale Rechnungen: Nachhaltige Initiativen rund um den Versand sollten aktiv kommuniziert werden. Auch im digitalen Warenkorb. Das dient nicht nur der Kundenbindung, sondern hilft auch bei der Markenpositionierung.“
Ein weiteres Mittel, um den Onlinehandel nachhaltiger aufzustellen, sind Mehrwegverpackungen. Die politischen Vorgaben, so Katharina Kreutzer, werden den Bedarf erhöhen und neue Märkte dafür schaffen. Dem Entwurf der EU-Verpackungsverordnung zufolge sollen bis 2030 10% aller Sendungen im Onlinehandel in einem Mehrwegsystem verschickt werden. Das würde Hunderte Millionen Pakete betreffen, die Mehrwegverpackungen bräuchten. Die Quote soll stufenweise bis auf 50% steigen.
20 bis 30 Umläufe nötig
Mehrweg-Konzepte wie die von Boomerang und anderen Start-ups finden daher große Beachtung. Das Start-up „Wir. Kiste.Kreis.“ hat das Rücknahmesystem Reuse.me für alle Arten von wiederverwendbaren Verpackungen entwickelt. „Voraussetzung ist, dass die Mehrwegverpackungen recyclingfähig sind und es eine Lebenszyklusanalyse gibt, die den ökologischen Break-even-Point ausweist“, erklärt Gründer Rudolf Siegle.
Damit Mehrweg wirklich weniger CO2 verursacht als Einweg, müssen die Verpackungen nicht nur drei- oder viermal auf Reisen gehen, sondern 20 bis 30 Umläufe schaffen, um das Potenzial von Mehrweg wirklich auszunutzen, so Dr. Till Zimmermann vom Ökopol-Institut, das Händler wie zum Beispiel Tchibo berät.
Auch das Start-up Hey Circle hat seine CO2-Abdrücke von Ökopol ermitteln lassen. Das Ergebnis: Nach zehn Umläufen werde gegenüber dem Einwegkarton CO2 gespart. Nach 50 Umläufen spare die Hey-Circle-Lösung 94% Verpackungsabfall und 76% CO2. Boomerang gibt an, dass seine Versandtaschen bis zu 50 Mal wiederverwendbar seien.
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.