Nicht nur der CO2-Fußabdruck des Produktsortiments entscheidet über die Klimabilanz eines Onlineshops. Auch die Software, die im Kaufprozess zum Einsatz kommt, hat Einfluss auf Energieverbrauch, Energieeffizienz und die Nutzungsdauer von Hardware. Der digitale CO2-Fußabdruck von Onlineshops beginnt deshalb schon beim Bestellprozess. Arne Tarara vom Berliner Unternehmen Green Coding Solutions erklärt in diesem Gastbeitrag, wie Shopbetreiber ihren digitalen CO2-Verbrauch messen und senken können.
Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass Onlineshops mit “klimaneutralem Versand”, “Klimafreundlichkeit” oder auch mit “fairer Herstellung” werben. So stellt z.B. Mano Mano einen CO2-Fußabdruck für den Großteil der im Shop enthaltenen Produkte bereit, um Kunden eine Orientierung für nachhaltige Entscheidungen zu geben. Neben dem physischen CO2-Fußabdruck der Produkte rückt aber mit der zunehmenden Digitalisierung auch der digitale CO2-Fußabdruck von Onlineshops in das Blickfeld.
Der Betrieb eines Shops (Server und Rechenzentren), die Anzeige auf den Endgeräten, die Dauer des Bestellprozesses sowie die Inhalte selbst sind wichtige Komponenten, die in diesen Fußabdruck mit einfließen. Nachhaltigkeitsaussagen eines Onlineshops müssen deshalb auch berücksichtigen, wie viel CO2 durch den digitalen Verkaufsprozess emittiert wurde. Ein E-Commerce-Unternehmen, das diese Frage nicht einmal im Ansatz beantworten kann, läuft Gefahr, Glaubwürdigkeit bei den Kunden einzubüßen.
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Software sollte nicht nur funktional und benutzerfreundlich sein, sondern auch mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck einhergehen. Das ist die Grundidee von „Green Coding“.
Etsy als Vorreiter beim digitalen CO2-Fußabdruck
Der Online-Marktplatz Etsy ist im Jahr 2020 als einer der ersten das Thema des digitalen Fußabdrucks angegangen. Die Idee war damals herauszufinden, wie viel CO2 die gesamte digitale Infrastruktur des Online-Martkplatzes ausstößt. Hierbei flossen sowohl der Energieverbrauch als auch der Kauf und somit die CO2-Emissionen der Herstellung der Hardware mit ein. Für lediglich gemietete Hardware in Rechenzentren wurde dabei ein Modell entwickelt, das eine Attribuierung erlaubte.
Die Methodik, wenn auch zur damaligen Zeit noch mit mehr Schätzwerten als heute verbunden, erlaubte es Etsy, sowohl zu ermitteln, wo genau im Shop CO2-Emissionen anfallen, als auch, welche Einsparpotenziale noch leicht zu heben sind.
Am Ende wurde die neue KPI CO2 mit in den täglichen internen Betrieb übernommen und konnte das Thema sowohl für die Entwickler als auch die Führungsebene greifbar und managebar machen. Nicht zuletzt ermöglicht die Messung und Nutzung als KPI auch ein Reporting, das mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für viele Unternehmen innerhalb der EU in 2024 zur Pflicht geworden ist.
Schritt eins: den digitalen CO2-Verbrauch messen
Der entscheidende Schritt für eine erfolgreiche Umsetzung der digitalen Nachhaltigkeitstransformation besteht darin, den CO2-Verbrauch zu messen und dadurch transparent zu machen. Dafür müssen E-Commerce-Unternehmen Systeme zur Überwachung und Messung ihres CO2-Ausstoßes einführen, z. B. durch den Einsatz spezialisierter Tools, die den Energieverbrauch digitaler Prozesse und Infrastrukturen in Echtzeit überwachen. Diese Daten sind entscheidend, um den aktuellen CO2-Fußabdruck zu verstehen und zu quantifizieren, und sie bilden die Grundlage für jede nachfolgende Nachhaltigkeitsinitiative.
Anders als noch zu der Zeit von Etsy gibt es mittlerweile viele Tools, die in die Infrastruktur integriert werden können und die auch zunehmend als Open-Source-Tools verfügbar sind. Die Green Software Foundation, als eine internationale NGO mit einem Zusammenschluss diverser Technologiefirmen, bietet ebenfalls kostenlose Inhalte und Informationen an, um sowohl eine Einschätzung der aktuellen Nachhaltigkeit des Shops als auch Themen wie Messung und Reduktion anzugehen.
Schritt zwei: den digitalen CO2-Fußabdruck reduzieren
Nachdem ein Unternehmen den CO2-Fußabdruck erfasst hat, müssen die digitalen Prozesse optimiert werden. Techniken wie Green Coding – was für nachhaltige Software-Entwicklung steht – führen dazu, dass Hardware und Software effizienter genutzt werden. Somit wird nicht nur Energie eingespart, sondern zum Beispiel durch die Kenntnis, wo und wann Software ausgeführt wird, auch die Verfügbarkeit von regenerativen Energien ausgeschöpft.
Energieeffiziente Programmier-Praktiken, der Austausch von Algorithmen oder auch der Wechsel auf effizientere Programmiersprachen sind hierbei ebenfalls Teil der Techniken. Auch in der für Kunden direkt sichtbaren Kontaktfläche, der Webseite des Shops selbst, bieten sich diverse Möglichkeiten an, um den CO2-Fußabdruck zu senken.
So bieten neuere Bildkomprimierungsverfahren das Potenzial, teilweise enorme Einsparungen zu erzielen. Aber auch die sorgfältige Auswahl von Videos, Schriftarten, Caching und Techniken, dass Inhalte nur dann heruntergeladen werden, wenn diese auch wirklich von den Nutzern gesehen werden, können zu einer Reduktion beitragen. Hier ist es ratsam, einen umfassenden Ansatz zu verfolgen und das Problem in seiner Gesamtheit anzugehen.
Abwägen zwischen personalisierten Inhalten und CO2-Kosten
Auch in E-Commerce-Shops wird mittlerweile künstliche Intelligenz genutzt. Dabei werden z.B. Produktbeschreibungen auf den Kunden individualisiert, Marketing-Ansprachen personalisiert oder sogar Produktbilder aus lediglich 2-D-Vorlagen in 3-D erzeugt.
Hier gilt es für Shopbetreiber einen Mittelweg zu finden zwischen dem Mehrwert, den ein solches Feature für Kunden beinhaltet, und den Kosten z. B. beim CO2-Verbrauch, die damit einhergehen.
Allgemein dürfte es für die Außenwirkung eines Shops eher ein Nachteil sein, wenn Kunden zwar in der Lage sind ein Produkt besser zu betrachten, jedoch dafür der CO2-Verbrauch des Shops verdoppelt wird. Solche Werte sind keine Seltenheit, wenn man sich die Abschätzung zu den Kosten von bereits textbasierter künstlicher Intelligenz anguckt im Vergleich zu beispielsweise einer einfachen Lösung basierend auf einem Algorithmus (Google Suche).
Der digitale CO2-Fußabdruck als Marketinginstrument
Der digitale CO2-Fußabdruck kann als Marketinginstrument genutzt werden – selbst ohne eine Vergleichbarkeit der Zahl zu haben, denn er zeigt Kunden, dass das Thema Klima für das E-Commerce-Unternehmen relevant ist.
Durch den Druck staatlicher Regulierung auf Firmen Zahlen zu veröffentlichen, z. B. durch die CSRD, werden in naher Zukunft auch Werte verfügbar sein, die Shopbetreiber dann vergleichbar machen. Somit haben Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil, wenn sie schon früh transparent mit dem Thema umgehen.