Die Zahlungsaufforderung Request-to-Pay (RTP) soll den digitalen Zahlungsverkehr und den Onlinehandel positiv verändern. Aber kann sie das auch? In seinem Gastbeitrag sieht Timo Seifert, Direktor Produkt bei Unzer, klar abgegrenzte Anwendungsfälle.
Dass Verkäufer von Produkten und Dienstleistungen ihre Kunden zum Bezahlen auffordern, ist so alt wie der Handel selbst. Da wäre etwa der Kellner, der die Rechnung überreicht, der Onlineshop, der beim Abschluss der Bestellung den geforderten Betrag anzeigt oder die Stadtverwaltung, die einen Brief mit der fälligen Hundesteuer schickt. Selbst mein Sohn erinnert mich regelmäßig daran, ihm Taschengeld zu geben. Wobei ich hier vermutlich noch etwas Zeit habe, denn aktuell freut er sich mit seinen fünf Jahren eher daran, mich zu einem Eis einzuladen und hat damit meinen Geldbeutel in der Hand.
Request-to-Pay (RTP) hingegen meint eine der Zahlung vorgeschaltete digitale Zahlungsaufforderung, die im gesamten SEPA-Raum gilt, auf europäischen Standards basiert und in einem Regelwerk des Europäischen Zahlungsverkehrsausschusses (EPC) beschrieben wird. Diese Nachricht enthält alle Informationen zur Transaktion und löst – sofern der Kunde sie bestätigt – eine Überweisung aus. Es handelt sich also weder um eine neue Bezahlmethode, wie teilweise fälschlich behauptet wird, noch um das dazugehörige Instrument (beispielsweise eine Debitkarte), sondern schlicht um ein standardisiertes Benachrichtigungs-Protokoll.
So funktioniert Request-to-Pay
Konkret gibt der Kunde seine Daten wie IBAN im Checkout an, woraufhin der Zahlungsempfänger eine Zahlungsaufforderung an den Kunden sendet. Dies vorausgefüllte Überweisungsform kann unter anderem auch Informationen wie Zahlungsfrist oder Rechnungsreferenz enthalten. Ob die Übermittlung per E-Mail, Push-Nachricht in die Banking-App oder auch per Messaging-Dienst erfolgt, ist dem Händler überlassen. Der Kunde hat nun die Möglichkeit, den Request-to-Pay abzulehnen, anzunehmen und entweder umgehend oder zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Im Gegensatz zu Bar- oder Mobile-Payment-Zahlungen wird die Transaktion nicht sofort eingeleitet, sondern kann verschoben werden.
Sollte der Kunde die Aufforderung ablehnen, wird der Händler umgehend informiert und kann entsprechend reagieren. In diesem Fall obliegt es dem Händler, ob er die Aufforderung erneut initiiert, mit dem Kunden in Kontrakt tritt oder aber die Ware nicht verschickt. Ist die Ware hingegen schon auf dem Weg oder die Dienstleistung erbracht, kann der Händler mit dem Kunden entweder eine neue Zahlweise vereinbaren, eine Zahlungserinnerung senden oder – und das ist der ungünstigste Fall – ein Inkassobüro beauftragen.
Nimmt der Kunde die Zahlungsaufforderung an, kann er frei wählen, ob er zum Beispiel über sein Online-Banking eine reguläre SEPA-Überweisung oder eine SEPA-Echtzeitüberweisung nutzen möchte. Das SEPA-Regelwerk gibt also keine bestimmt Zahlungsmethode vor. Der Zahlungsempfänger wird über den Status informiert, erhält also zum Beispiel eine Benachrichtigung, dass der Käufer die Aufforderung angenommen hat.
Die Vorteile des Verfahrens
Request-to-Pay lässt sich vielseitig einsetzen und bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehören die Rechnungsstellung und deren Zahlung, wiederkehrende Zahlungen, sowie das Inkasso von Schulden oder ausstehenden Steuern. Es eignet sich somit hervorragend für Abonnements, Ratenzahlungen und Reservierungen, etwa in Hotels oder bei Fluggesellschaften. Auch Peer-to-Peer-Überweisungen und E-Commerce-Einkäufe profitieren von dieser Methode. Zusätzlich ermöglicht RTP Optionen wie „Jetzt kaufen, später bezahlen“ und kann mittels QR-Codes auch für In-Store-Zahlungen verwendet werden.
Request-to-Pay eröffnet viele Chancen für Händler und Kunden, welche für beide Seiten die Abwicklung nahzu automatisiert. Zunächst einmal können Händler eingehende Zahlungen automatisch zuordnen, welches ihnen jede Buchhaltung dankt. In Kombination mit Echtzeitzahlungen oder „Buy Now, Pay Later“ können Händler ihren Kunden mit RTP eine bequeme Option anbieten, um direkt und vor allem einfach vom Bankkonto aus Zahlungen auszulösen.
Ein weiterer Vorteil: Händler haben ein geringeres Risiko von Zahlungsausfällen. Denn anders als bei einer SEPA-Lastschrift löst Request-to-Pay eine eigenständig initiierte Überweisung aus – die Zahlung ist also verbindlich und nicht rückholbar. Das Risiko eine Rücklastschrift nach acht Wochen bzw. 13 Monaten ist somit ausgeschlossen. Deshalb lassen sich mit RTP Geschäftsvorfälle abbilden, die auf herkömmlichem Wege meist nur mit zusätzlichen Kosten oder mehr Risiko zu bewerkstelligen sind.
Request-to-Pay bietet auch neue Möglichkeiten, Forderungen einzuholen, denn das neue System ermöglicht es, individuelle Rückzahloptionen im Rahmen eines Forderungsmanagements zu gestalten. Ausbleibende Zahlungen können mit RTP ganz einfach angemahnt oder in ein tragbares Ratenmodell modifiziert werden.
Und für die Nutzer?
Für Verbraucher ist Request-to-Pay vor allem – einmal gelernt – sehr sicher, einfach und äußerst transparent. Sämtliche Zahlungsaufforderungen sind dank der angehängten Informationen eindeutig zuzuweisen und sorgen für einen besseren Überblick über die eigenen Finanzen, wenn nicht Girokonto, PayPal-Konto und Kreditkartenabrechnungen miteinander abgeglichen werden müssen. Außerdem autorisieren Verbraucher die Zahlungen mit einem Klick und behalten so den Überblick über ihre Ausgaben. Offene Zahlungsaufforderungen und bevorstehende Fristen können in der App eingesehen werden, geleistete Zahlungen werden direkt auf dem eigenen Bankkonto verbucht.
Und was die Sicherheit angeht: Da bei Request-to-Pay jede Zahlung aktiv per Klick ausgelöst wird, sinkt das Risiko für Manipulation. Falls eine IBAN entwendet wurde und ein Betrüger versucht, damit einzukaufen, gibt es eine entscheidende Hürde: Der Endkunde erhält die Aufforderung, muss diese kontrollieren und anschließend über seine Bank autorisieren. Dubiose Zahlungsaufforderungen kann der Nutzer jederzeit ablehnen. Bei einem gewährten Lastschrifteinzug ist diese Sicherheit nicht vorhanden; Verbraucher können jederzeit eine Rücklastschrift bei ihrer Bank veranlassen.
Kann sich RTP durchsetzen?
Abgesehen von diesen Aspekten stellt sich jedoch eine große Frage: Kann sich das System durchsetzen? Die Antwort hängt von der Nachfrage der Verbraucher und der flächendeckenden Verfügbarkeit von Request-to-Pay ab. Und hier haben wir es mit einem klassischen Henne-Ei-Problem zu tun. Denn RTP birgt zwar großes Potenzial für Unternehmen im Allgemeinen und Händler im Speziellen, doch aus Verbrauchersicht gibt es gute Alternativen.
Mit Kreditkarte, Wallets oder „Buy Now, Pay Later“ können Endkunden ebenso sicher, komfortabel und flexibel einkaufen. Vor allem die Bezahlung mit Apple oder Google Pay ist an Kundenfreundlichkeit und Einfachheit aktuell führend. Die Nachfrage nach einer neuen Zahlungsmöglichkeit dürfte sich also in Grenzen halten, vor allem, wenn das eigene Konto direkt belastet wird.
Womit wir beim zweiten Punkt wären, der Verfügbarkeit. Wie schon gesagt, ist RTP prinzipiell nicht neu, und auch das SEPA-Regelwerk existiert seit fast vier Jahren. Dennoch bieten bisher nur wenige Banken ein SEPA-Request-to-Pay an – nicht zuletzt, weil sie hierfür ihre eigenen Banking-Apps anpassen müssten, was mit einem entsprechenden Aufwand verbunden ist. Es mangelt daher auch an einem breiten Angebot, was wiederum die Wahrnehmung und somit die Nachfrage der Endkunden schmälern dürfte.
Auftrieb durch EU-Verordnung zu Echtzeitüberweisung
Seit April 2024 dürfte Request-to-Pay einen neuen Auftrieb erfahren, denn zu diesem Zeitpunkt trat die neue Instant Payments Regulation in Kraft. Diese EU-Verordnung verpflichtet Banken dazu, innerhalb der kommenden 18 Monate alle notwendigen Voraussetzungen für Echtzeitzahlungen im Euroraum zu schaffen. Bis Januar 2025 müssen weiterhin alle Banken und Zahlungsdienstleister in der Lage sein, Sofortzahlungen von ihren Kunden zu empfangen. Weitere neun Monate später, also im Oktober 2025, müssen alle Banken in der Eurozone ihren Kunden die Möglichkeit bieten, Sofortzahlungen zu senden.
Dies dürfte genug Triebfeder für das fehlende Puzzleteil Request-to-Pay sein. Denn in Kombination mit der Echtzeitüberweisung kann es viele Prozesse entscheidend beschleunigen, sei es nun direkt am Point-of-Sale, im Onlinehandel oder bei der Rechnungsstellung. Händler würden dann von der sofortigen Transaktionsabwicklung und Geldeingang profitieren und könnten die Waren unmittelbar und ohne Risiko, zum Beispiel einer möglichen Rücklastschrift, versenden.
Gemeinsam gedacht, könnten Echtzeitüberweisungen und Request-to-Pay zu einem neuen Standard in der EU werden und sich fest etablieren. Die Möglichkeiten der Automatisierung im Bereich Rechnungsabwicklung sind immens. Die klassischen Zahlungsmethoden werden sie jedoch nicht verdrängen: Girocard-Zahlungen, Überweisungen, Kreditkarten, oder „Buy Now, Pay Later“ haben einfach ihre Vorteile und werden uns noch viele Jahre erhalten bleiben.