Sie scannen den Einkauf, einige rechnen auch gleich ab – smarte Einkaufswagen bringen digitale Funktionen aus den Online-Shops in stationäre Geschäfte. „Der Handel“ und Etailment.de stellen sieben Modelle vor.
Was unterscheidet einen Warenkorb im Online-Shop von einem Einkaufswagen im Supermarkt? Immer weniger. Digitale Einkaufswagen holen eine ganze Reihe von Funktionen aus der Online-Welt in den stationären Lebensmittelhandel: Auf ihren Bildschirmen listen sie die ausgewählten Waren und ihre Preise auf, sie können Produkte empfehlen, Kunden zum richtigen Regal führen und Rabattaktionen ausspielen.
Mehr als 10.000 Exemplare digitaler Einkaufswagen sind in deutschen Supermärkten im Einsatz, wie eine Umfrage von „Der Handel“ unter den wichtigsten Herstellern ergeben hat. Zwei von ihnen bieten Komplettsysteme inklusive eigener Wagen. Alle haben Aufrüstsysteme im Programm, die auf die Bestandswagen montiert werden.
Platzhirsche in Deutschland sind eindeutig KBST und Pentland Firth. Beide haben (unter anderem) Edeka als Kunden gewonnen. Der „Scan Cart“ von KBST rollt unter dem Namen „Smart Shopper“ mit 3.200 Exemplaren durch mehr als 200 Läden (im Schnitt etwa 16 pro Markt) in sechs der sieben Edeka-Regionen.
Instrument zur Kundenbindung
In der siebten, Edeka Minden-Hannover, läuft der „Easy Shopper“ von Pentland Firth mit 7.086 Stück durch 186 von rund 1.500 Märkten (38 pro Markt). Seit der Einführung 2017 seien in Minden-Hannover rund 31 Millionen Einkäufe über die Wagen gelaufen, so der Händler, also sehr grob gerechnet 14.000 pro Werktag. Edeka stellt heraus, dass durch das Scannen am Wagen das Umpacken an der Kasse entfalle. Es zeichne sich ab, dass der „Easy Shopper“ vor allem in Märkten mit vielen One-Stop-Shoppern mit großen Einkäufen am besten angenommen werde. Für die Edeka-Region ist der Wagen „in erster Linie ein Instrument zur Kundenbindung“, man wolle „die Vorteile des Online-Handels mit den Vorzügen des Einkaufserlebnisses im Markt kombinieren“.
Neben KBST und Pentland Firth kündigt Wanzl, einer der großen deutschen Anbieter von Einkaufswagen, für 2025 einen Smart Trolley an – er wird sich die existierenden dafür sicher gründlich angeschaut haben. Imagr Holdings aus Neuseeland, Anbieter eines smarten Aufrüstsystems für bestehende Einkaufswagen („Imagr.ai Modular“), plant zwar den Markteinstieg in Deutschland, hat seine Antwort an „Der Handel“ aber zurückgezogen. Nomitri aus Berlin, Anbieter von Systemen für „AI-enabled Human Pick & Pack“, schickte keine Antworten.
Daten sind entscheidend
Der Erfolg digitaler Einkaufswagen hängt davon ab, wie gut sie mit Daten bespielt werden. „Als autonomes System laufen Smart Trolleys nicht“, sagt René Schiller, Global Head of Marketing and Communications des Kassensystem-Anbieters GK. GK arbeitet mit KBST, Pentland Firth und Edeka zusammen. „Die Wagen klinken sich in unsere Kassen ein, bekommen von dort Preise und Stammdaten und melden Bezahlvorgänge.“ Für Edeka seien die Wagen einfach eine weitere Kasse.
Wie viel Aufwand steckt hinter der Integration? „Die Integration ist nicht der größte Kostenfaktor“, sagt Schiller. „Der sind die Wagen selbst.“ Dabei zeigen sich viele Handelsunternehmen zu hohen Investitionen bereit: „Vor drei Jahren haben sich die Handelsexperten noch gefragt: Wer will so viel Geld für Einkaufswagen ausgeben?“, sagt er. „Heute rollt Edeka einen Markt nach dem anderen aus.“
Die Stromkosten gibt Pentland Firth je nach Modell mit 12 bis 17 Euro pro Wagen und Jahr an. Modelle anderer Hersteller dürften ähnlich liegen. Daran jedenfalls sollte der Einsatz nicht scheitern.
Die Wagen im Einzelnen:
KBST
Modelle:
- Scan Cart (kompletter Wagen inkl. „Scan Box“),
- Scan Box (Aufrüstsystem, „für alle gängigen Einkaufswagenmodelle“; Nachfolger ab Januar 2025: „Scan Box 2.0“ mit erweiterten Funktionen),
- Smart Shopper (kompletter Wagen inkl. „Scan Box“, etwas andere Dimensionen, in Zusammenarbeit mit Expresso Deutschland, ohne Abbildung).
© KBST
Scan Cart
© KBST
Scan Box 2.0
Anbieter: KBST, Kassel.
Exemplare im Einsatz (Anfang August 2024): ca. 3.200 (alle genannten Modelle).
Ausrüstung: Touchscreen (10,1“ Multitouch), Barcode-Handscanner, ISO-14443-zertifizierte NFC-Antenne zur Zahlung via Kredit-/Girocard am Wagen, integrierte Kamera als Plattform für Kameraerkennung.
Diebstahlschutz Ware: „Scan Box“: Marktindividuell konfigurierbare Kontrollalgorithmen, u. a. Kontrollen auf Basis von Konsumentenverhalten einstellbar. „Scan Cart“: Hochpräzise Kontrollwaage mit selbstlernendem Algorithmus, Kameras mit Aufzeichnung, Software wählt auffällige Kunden für Kontrollen aus.
Diebstahlschutz Wagen: GPS/Geo-Fencing mit SMS-Benachrichtigungen. Möglich: Magnetsperrrollen, Gatekeeper.
Erwartbare Lebensdauer: Garantiert 5 Jahre, erwartet 7 Jahre.
Ladedauer (leer bis voll): 6 Stunden.
Laufzeit einer Akkuladung: Mindestens 34 Stunden.
Betrieb und Funktionen:
- Geeignet für alle Bezahlarten von klassischer Bedienkasse bis Pick & Go. Integration in jedes Kassensystem möglich.
- Bei Wahl des Android-Betriebssystems Einsatz händlereigener Scan-&-Go-Apps möglich, die alle Funktionen der Wagen ansprechen können.
- Mitarbeiterruf auf Wunsch möglich.
- Produktsuch- und Navigations-Funktion auf Wunsch möglich. KBST rät aufgrund des hohen Aufwands der Datenpflege davon ab.
- Kundenberatung (Produktempfehlungen u. ä.) über händlereigene Scan-&-Go-Apps möglich.
- Retail-Media-Anzeigen auf dem Display möglich.
Kosten:
- Kaufpreis pro Exemplar: ab 2.499 € („Scan Cart“), ab 1.499 € („Scan Box“). Mietmodell möglich.
- Wartungskosten: Ab 12 €/Monat/Wagen inkl. aller Softwarelizenzen und kostenfreiem Austausch der gesamten elektronischen Hardware bei technischem Defekt.
- Investitionsaufwand im Laden: Ladestationen (von mobilen Ladeschienen bis zu Einkaufswagenhäusern), Server (lokaler Server, virtueller Server auf bestehender Infrastruktur, Cloud-System). Ansonsten „keinerlei Anpassungen seitens des Händlers notwendig“, auch keine Umbauten. „Somit entstehen keine Investitionen im Laden.“
Pentland Firth
Modelle:
- Easy Shopper Premium (kompletter Wagen inkl. „Easy Shopper Light“),
- Easy Shopper Light (Aufrüstsystem, „geeignet für alle gängigen Einkaufswagen-Modelle“).
© Pentland Firth
Easy Shopper Premium
© Pentland Firth
Easy Shopper Light
Anbieter: Pentland Firth Software GmbH, München.
Exemplare im Einsatz (Anfang August): 7.086 (6.046 Premium, 1.040 Light) in 186 Märkten.
Ausrüstung: Touchscreen (11.6“ Full HD), Barcode-Scanner, kein Bezahlterminal (aber Bezahlung ohne Kasse über App möglich).
Diebstahlschutz Ware: „Premium“: 2 Kameras (oben & unten), 1 Waage auf Ablagefläche; Abgleich von Waagenwerten und Bildern sowie „zusätzliche Software-Maßnahmen“, Einsatz von KI zur automatischen Erfassung. „Light“: 1 Kamera, Waage als Add-On-Modul ab Q1/2025.
Diebstahlschutz Wagen: GPS.
Erwartbare Lebensdauer: Mindestens 5 Jahre.
Ladedauer (leer bis voll): 6 Stunden.
Laufzeit einer Akkuladung: Ca. 24 Stunden.
Betrieb und Funktionen:
- In bestehende Software-Plattformen integrierbar, Schnittstelle zur Kassensoftware von GK, Integration durch Pentland Firth.
- Geeignet für alle Bezahlarten von klassischer Bedienkasse bis Pick & Go.
- Mitarbeiterruf per Hilfe-Button am Wagen möglich.
- Produktsuch-Funktion über App und Wagen, Indoor-Navigation über den Wagen.
- Über das Display möglich: Einkaufslisten, Rezepte, Empfehlungen, Weinempfehlungen, Promotions, Rabatte, Aktionen.
- Retail-Media-Anzeigen auf dem Display (Bild, Slideshow, Video) möglich und auch im Einsatz. Anschluss an Retail-Media-Plattformen möglich.
Kosten:
- Kaufpreis pro Exemplar: „Günstiger als der Wettbewerb“, Mietmodell möglich.
- Wartungskosten: Im Kauf-/Mietpreis enthalten.
- Investitionsaufwand im Laden:
- Einbau von Ladestationen: Mobil (Light): 1.550 € (10 Wagen) / Mobil (Premium) 2.000 € (9 Wagen) / Ladebox Indoor (Premium): 2.500 € (18 Wagen) + 2.000 € Schaltschrank + Installationskosten.
- Server-Hardware/Betriebssysteme: 3.500 €.
Shopic
Modell:
- Shop-E, AI-powered Smart Cart (Aufstecksystem „für alle üblichen Einkaufswagen-Modelle“).
© Shopic
Shop-E, AI-powered smart cart
Anbieter: Shopic, New York (USA)/Tel Aviv (Israel).
Exemplare im Einsatz (Anfang August): Pilotprojekt bei einem großen deutschen Einzelhändler.
Besonderheit: Wird nicht fest am Wagen installiert, sondern von den Kunden aus einer Halterung genommen, auf den Wagen gesteckt („clip-on“) und nach Ende des Einkaufs in die Halterung zurückgegeben.
Ausrüstung: Touchscreen, Barcode-Scanner, Payment-Möglichkeit am Wagen und am Self-Checkout).
Diebstahlschutz Ware: Computer-Vision-Kamera registriert Ware im Korb und meldet zum Beispiel falsche Scans, Mitarbeiter erhalten die Bilder zur sofortigen Kontrolle; Rückgabe des Systems in die Halterung nur nach Abschluss der Zahlung möglich.
Diebstahlschutz System: Rückgabe des Systems erzeugt Barcode zum Verlassen des Ladens.
Erwartbare Lebensdauer: Keine Angabe.
Ladedauer (leer bis voll): „Ladung zwischen Nutzungen garantiert stete Betriebsbereitschaft“.
Laufzeit einer Akkuladung: „Länger als ein durchschnittlicher Marktbesuch“.
Betrieb und Funktionen:
- In „eine Vielzahl“ („a variety“) bestehender Software-, Loyalty-, Promotion- und Planogramm-Plattformen integrierbar.
- Unterstützt die Bezahlarten klassische Bedienkasse, Self-Checkout, digitale Bezahlung am Wagen. Weitere auf Wunsch möglich.
- Mitarbeiterruf möglich. Mitarbeiter erhalten Informationen zur Position des Wagens und zum letzten gescannten Produkt.
- Produktsuch-Funktion: Kunden können eintippen, was sie suchen, die Gen-KI-gesteuerte Funktion schlägt passende Produkte vor und zeigt die Gangnummern an.
Kosten:
- Keine Angaben.
Wanzl
Modell:
- Smarter Einkaufswagen von Wanzl (Arbeitstitel; kompletter Wagen).
© Wanzl
Smarter Einkaufswagen von Wanzl
Anbieter: Wanzl, Leipheim.
Exemplare im Einsatz: Markteinführung für erste Jahreshälfte 2025 geplant.
Ausrüstung: Fest installiertes Display- und Handscanner-Einheit; intuitives Auslösen aus der Ladestation innerhalb der Parkbox manuell mit Münze oder per Retailer-App über das Smartphone.
Diebstahlschutz Ware: Im Gehäuse angebrachte Kamera überwacht den Warenkorb.
Diebstahlschutz Wagen: (Noch) k. A.
Erwartbare Lebensdauer: (Noch) k. A.
Ladedauer (leer bis voll): Ca. 6 Stunden (über Nacht in der Ladestation).
Laufzeit einer Akkuladung: Bis zu 18 Stunden.
Betrieb und Funktionen:
- Ausgelegt auf Bezahlarten wie Bezahlung am Self-Checkout, Smartphone- oder NFC-Zahlung am Wagen.
- Über POS- oder Filial-Apps können Betreiber den Kunden während des Einkaufs Informationen, Sonderangebote oder Coupons übermitteln.
Kosten:
- Noch keine Angaben möglich.
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel, dort sind die Tabellen aus Platzgründen um einige Positionen kürzer.