Stationäre Events statt Online-Shop im Modehaus Henschel
Das Modehaus Henschel aus Darmstadt setzt seit Ende 2023 vollständig auf das Stationäre – und erreicht die Kundschaft über Events und Kundenkarten. „Der E-Commerce hat nichts für unsere Marke getan“, sagte Geschäftsführer Moritz Koch auf dem Trendforum Retail.
Wer die Website des Modehauses Henschel mit Hauptsitz in Darmstadt aufruft, sieht als erstes die Ankündigung einer Autorenlesung in der Filiale Michelstadt. Weiter unten folgen Label-Porträts, ein Überblick über das Sortiment und eine Einladung zum Personal Shopping – aber keine Ware. Henschel hat den 2017 gegründeten Online-Shop im November 2023 kurzerhand geschlossen.
Moritz Koch, Geschäftsführender Gesellschafter von Henschel, nannte dafür während des diesjährigen Trendforums Retail der Beratungsgesellschaft Team Scio vor allem zwei Gründe. Zum einen sei der Shop wirtschaftlich kein Erfolg geworden. Henschel habe sechsstellige Summen in den Online-Shop investiert, am Ende habe ein ebenfalls sechsstelliger Verlust gestanden. „Wir hatten die Schnauze voll“, sagte Koch salopp.
Außerdem kamen etwa 80 Prozent der Bestellungen aus Regionen außerhalb des stationären Einzugsgebiets. Henschel aber hat das vorrangige Ziel, eine lokale Community rund um die insgesamt fünf Filialen in Darmstadt (zwei), Michelstadt, Heidelberg und Lübeck zu pflegen. „Der Shop hat nichts für unsere Marke getan.“ Die Investition war vor allem Streuverlust.
Mit voller Wucht stationär
Moritz Koch und sein Team haben sich daher entschlossen, nicht mehr gegen Amazon anzutreten, sondern das Stationäre mit voller Wucht auszuspielen. Henschel sieht sich als Premium-, nicht als Luxushändler, und seine Läden auch als Orte sozialer Interaktion.

© Stefan Becker
Dr. Moritz Koch, Geschäftsführender Gesellschafter von Henschel Darmstadt
Daher gibt es auf dem Dach des Haupthauses am Darmstädter Marktplatz seit 2019 das eigene Restaurant „Obendrüber“. Henschel betreibt es selbst – ein Drittbetreiber wäre deutlich weniger Arbeit, sagt Koch, die Qualität des Angebots aber würde trotzdem Henschel zugeschrieben, da macht er es lieber selbst.
Dazu kommt ein umfangreiches Event-Programm mit bis zu 400 „Werbeanstößen“ im Jahr: die Thriller-Lesung in Michelstadt, gemeinsame Fußballspiel-Besuche mit Kunden im Stadion des SV Darmstadt 98, Einladungen der Spielerfrauen ins Haus mit entsprechenden Social-Media-Posts, Grillabende mit dem Chef. Acht Köpfe umfasst das Event-Team des Händlers. Außerdem hat er Mitarbeiter für das Personal Shopping ausbilden lassen, das 2014 zwischen 900 und 1.000 Mal gebucht werde und Bons jenseits der 1.000 Euro produziere.
Mehrumsätze gleichen Kosten aus
Einfach ist das Geschäft nicht, das gab Koch unumwunden zu. Das Restaurant sei durch die gegenwärtige Zurückhaltung des Publikums ein schwieriges Thema, und seine gute Bezahlung und die Vier-Tage-Woche, die er anbietet, bedeuteten hohe Lohnkosten. Trotzdem bereut er den Schritt nicht – die Mehrumsätze durch die Event-Anstrengungen übertreffen nach seinen Worten die Lohn-Mehrkosten.
Außerdem kann er den Erfolg seiner Community-Strategie an einer einfachen Zahl ablesen: 87 Prozent der Kundinnen und Kunden von Henschel haben eine Kundenkarte und liefern damit genügend Daten für eine passgenaue Ansprache. Und dann gibt es noch einen dritten Grund: „Wenn wir Marken auslisten, gibt es sofort Kommentare von Kunden auf den Flächen, selbst bei kleinen Marken“, sagt Koch. „Nach der Schließung des Online-Shops ist gar nichts passiert.“