Trotz vieler Proteste ist die Umsatzsteuer in Restaurants und Cafés zum 1. Januar 2024 wieder von 7 auf 19 Prozent gestiegen. Das hat nicht nur Konsequenzen für Verbraucher und Gastronomie, sondern könnte zusätzlich auch den Handel betreffen, sagt Gastautor Martin Schmidt. Er beschreibt potenzielle Auswirkungen der Gastrosteuererhöhung auf das Geschäft insbesondere des Lebensmittel-Großhandels.
Lange hatte die Gastronomie auf Klarheit darüber warten müssen, ob die reduzierte Umsatzsteuer beibehalten wird oder nicht. Erst Mitte November beschloss die Bundesregierung dann, dass beim Besuch von Restaurant oder Café ab 1. Januar 2024 wieder 19 statt 7% Umsatzsteuer fällig werden.
Die höhere Zahllast bei der Umsatzsteuer könnte aber nicht nur die Gastrokunden, sondern auch den Einzelhandel betreffen. Denn die Branche kämpfte auch im Jahr 2023 mit großen Herausforderungen. Laut den Daten des Statistischen Bundesamtes lagen die Umsätze im September 2023 noch immer um etwa 12,6 Prozent unter jenen von September 2019.
Preissteigerungen nicht 1:1 auf die Gäste umwälzbar
Für die Gastronomen besteht die große Gefahr, dass es bei weiteren Preissteigerungen zu einem noch größeren Besucherrückgang kommt. Der Fachkräftemangel sowie die Forderung nach höheren Löhnen und die steigenden Lebensmittelpreise durch die hohe Inflation sorgen dabei noch für zusätzliche Sorgenfalten.

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Wer auswärts Speisen oder Getränke konsumiert, muss seit Jahresbeginn tiefer in die Tasche greifen.
Handel und Gastronomie sind stark miteinander verbunden
Der Einzelhandel und die Gastronomie sind stark miteinander verbunden und bilden einen Teil des Gesamtwirtschaftssystems. Veränderungen in einer Branche können daher Auswirkungen auf andere Sektoren haben. Eine Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie kann zu einer komplexen Kettenreaktion führen, die den Handel, insbesondere den Lebensmittel-Großhandel, in unterschiedlichem Maße beeinflusst.
Um ihre Gewinnmargen zu sichern, sind Gastronomiebetriebe gezwungen, nach kostengünstigeren Einkaufsbedingungen zu suchen. Händler, die sich in dieser Hinsicht wenig kooperativ zeigen, laufen Gefahr, langfristige und bedeutsame Geschäftspartner zu verlieren. Selbst wenn die Kooperationen fortbestehen, wird eine reibungslose Zusammenarbeit nur möglich sein, wenn die Einzelhändler bereit sind, Zugeständnisse zu machen.
Gastrosteuererhöhung könnte eine Kettenreaktion auslösen
Der höhere Vorsteuerüberhang bei der Umsatzsteuerzahllast könnte auch das Personalproblem in der Gastronomie weiter verschärfen. Denn die sinkenden Margen könnten dazu führen, dass wieder einmal beim Personal eingespart werden muss.
Diese Entwicklung könnte zur Konsequenz haben, dass Unternehmen ihre Einkaufsgewohnheiten ändern. Statt persönlich einzukaufen, könnten mehr Betriebe auf den Online-Lebensmittelhandel setzen und sich beliefern lassen. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Ressourcen. Selbst der kostspielige Transporter für den Einkauf könnte auf diese Weise eingespart werden.
Dieses einfache Beispiel verdeutlicht, dass die Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung nicht nur den Lebensmittel-Einzelhandel, sondern auch andere Branchen wie beispielsweise den Kfz-Handel beeinflussen und eine Kettenreaktion für den kompletten Wirtschaftsstandort Deutschland auslösen könnten.
Druck auf die Preise im Lebensmittel-Großhandel: Welche Optionen bleiben den Händlern?
In der aktuellen Situation ist es für Großhändler ratsam, proaktiv und flexibel zu reagieren, um ihre Rentabilität zu erhalten. Eine mögliche Strategie besteht darin, verstärkt auf Effizienz und Kostenkontrolle zu setzen. Dies könnte die Optimierung von Lager- und Logistikprozessen, die Implementierung moderner Technologien oder die Suche nach kosteneffizienteren Lieferanten umfassen.
Ein weiterer Ansatz ist die Diversifizierung des Produktangebots. Durch die Einführung neuer, gefragter Produkte oder die Erweiterung in Nischenmärkte können Großhändler ihre Umsatzquellen diversifizieren und sich gegen Preisschwankungen absichern.
Innovative Vertriebsstrategien sind ebenfalls entscheidend. Die Nutzung digitaler Plattformen, um in Zukunft auch direkt an Endverbraucher zu verkaufen, könnte zusätzliche neue Möglichkeiten eröffnen und zudem verhindern, dass treue Kunden zum Online-Lebensmittelhandel abwandern.
Benutzerfreundliche Plattformen und Apps sind Voraussetzung für den Online-Erfolg
Laut einer aktuellen Studie von Trnd und Territory Bestseller ist das Vertrauen in den Online-Lebensmittelhandel bei den Deutschen noch sehr gering. Nur 20% der Befragten gaben an, bisher online frische Lebensmittel gekauft zu haben. Obwohl viele Verbraucher Bedenken hinsichtlich der Qualität, Frische und pünktlichen Lieferung von Produkten haben, zeigt die Studie, dass diejenigen, die den Service bereits nutzen, mit ihrer Erfahrung zufrieden sind. Experten gehen zudem davon aus, dass sich der Prozentsatz in den nächsten Jahren erheblich steigern wird.
Der Großhandel ist deshalb gut damit beraten, bereits jetzt die Weichen dafür zu stellen, um diese Kundengruppen in naher Zukunft auch tatsächlich erschließen zu können. Voraussetzung dafür sind benutzerfreundliche Online-Plattformen und Apps für Smartphones sowie ein gut durchdachtes Logistiksystem mit effizienter Routenplanung, Lagermanagement und einer zuverlässigen Lieferinfrastruktur. Mit den Vorbereitungen dafür kann schon jetzt begonnen werden.
Experten warnen vor einem Preisschock
Die möglichen Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung für den Einzelhandel lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Gastronomiebetriebe suchen kostengünstigere Einkaufsmöglichkeiten.
- Der Einzelhandel verliert dadurch ebenfalls einen Teil seiner Marge.
- Das Geschäft könnte sich vermehrt auf den Online-Lebensmittelhandel verlagern.
- Die Erhöhung betrifft auch andere Sektoren und könnte eine Kettenreaktion auslösen.
Anders ausgedrückt: Die Erhöhung der Umsatzsteuer hat nicht nur für die Gastronomie-Branche, sondern für den ohnehin schwächelnden Einzelhandel negative Folgen mit derzeit noch unabsehbaren Konsequenzen.