Retail-Media ist schön, macht aber viel Arbeit. Das zeigt das Fallbeispiel Obi. Der Baumarktbetreiber hat seine Medien hochprofessionell aufgestellt und sagt: Wir handeln wie eine Media-Agentur.
Baumarktriese Obi hat nicht nur eine Abteilung für Retail-Media, sondern mit der Obi First Media Group GmbH & Co. KG gleich eine ganze Firma zum Thema im Konzern, mit mehr als 30 Mitarbeitern. Kein Wunder, denn wer der Geschäftsführerin Patricia Grundmann (gleichzeitig Vice President Media & Retail Media von Obi) zuhört, gewinnt schnell den Eindruck: Hier spricht gar nicht so sehr ein Händler, sondern ein Media-Publisher. Und so versteht sich die Obi First Media Group auch.
Obi hat ein vielschichtiges Portfolio an Medien aufgebaut, das von Videowänden bis zu Onlinebannern reicht (siehe Kasten unten). Alle Medien haben aber zwei Dinge gemeinsam: Sie funktionieren digital und werden über Kundendaten gesteuert. „Die Retail-Media-Reise beginnt und endet in den Daten“, sagt Grundmann.

© Obi
In den Reports, die Obi für die Werbekunden erstellt, sind Auswertungen zu den Schaltungen, aber auch zum Absatz einzelner Produkte enthalten.
Aufgabe der Obi First Media Group ist es, Kundendaten im Sinne des Kunden für ein Targeting aufzubereiten und zu vermarkten. Und zu gewährleisten, dass es möglichst wenig Streuverluste gibt, dass also die richtigen Kunden die richtige Werbebotschaft zu sehen bekommen. „Wir brauchen keine Rasenmäher-Werbung für Kunden, die in Innenstädten wohnen“, so Grundmann.
Einkäufe ermöglichen Rückschlüsse
Woher kommen die Daten? Vor allen Dingen von den Kunden selbst. Erstens geben sie bei der Einrichtung von Kundenkonten persönliche Informationen an, samt Erlaubnis, sie zu nutzen. Zweitens ermöglichen die Einkäufe genaue Rückschlüsse darauf, was ein bestimmter Kunde in Haus und Umfeld so treibt: Rasenmäher- und Pool-Käufe deuten auf einen Garten, Wandfarbe und Türlack auf Renovierungen hin.
Drittens analysiert Obi seinen Website-Traffic – mehr als jeder zweite Besucher von Obi.de bereitet einen Marktbesuch vor. Und viertens werden die selbst erhobenen First-Party-Daten mit zugekauften Daten angereichert. Von demografischen Analysen einzelner Stadtviertel bis zu detaillierten Wetterprognosen ist sehr viel auf dem Markt.
Jeder Werbekanal im Markt kann gebucht werden
Mit diesen Daten schlägt Obi möglichen Werbekunden einen Mediaplan vor. Der umfasst nicht nur die eigenen, sondern auch externe Medien: „Wir können wie eine Media-Agentur jeden Werbekanal im Markt für unsere Kunden buchen“, verspricht Grundmann.
Das umfasst unter anderem Fernsehwerbung einschließlich digitaler Versionen wie Connected TV und Adressable TV, Radio und vor allem die Programmatic-Werbung auf Websites zum Beispiel von Zeitungen. Ziel ist es, Online-Werbebanner nur an vorab festgesetzte Zielgruppen und nur in passenden thematischen Umfeldern zu platzieren. Auf Wunsch gestaltet Obi die Werbemittel auch.

© Framen
Videowand im Eingangsbereich einer Obi-Filiale: Die 3 mal 3 Meter großen Full-HD-Screens vermarktet der Baumarktbetreiber u.a. über den Ads Manager von Framen, der DooH-Tochter von Axel Springer.
Die First-Party-Daten bilden also sozusagen das Sieb, mit dem die Medien sowie die regionale und zeitliche Eingrenzung der Ausspielung ausgewählt werden. Da es sich überwiegend um digitale Medien handelt, werden jede Ausspielung der Werbung, jeder Aufruf und jeder Klick registriert.
Das wiederum bildet die Grundlage für umfassende Reports an die Werbekunden, einschließlich der Einschätzung, wie sich dieser Kunde im Vergleich schlägt und ob die vorab gesteckten Ziele erreicht wurden. Für die Videowalls in den Märkten gelten Frequenzen und die Zahl der Bons als Messgrößen.
Der Datenkreis schließt sich
Der Großteil der Kunden für die Retail-Media-Angebote von Obi sind „endemische“ Anbieter – also solche, deren Produkte es im Markt zu kaufen gibt. Referenzkunden sind Bosch, Kärcher und Weber-Stephen.
Zu den nicht-endemischen Produkten und Marken, für die Obi seit 2022 Werbung verkauft, gehören Grillparty-Zubehör, Versicherungen, Finanzierungen, Transporte und auch Streaming-Angebote. Die Kosten können bis in den mittleren sechsstelligen Bereich kommen, sagt Grundmann, es gebe aber auch Einstiegspakete, zum Beispiel Werbebanner „für einige hundert Euro“.
Und dann schließt sich der Datenkreis. Obi liefert den Retail-Media-Kunden nicht nur Auswertungen zu ihren Schaltungen, sondern auch zu ihren Waren: Wer kauft die Produkte wann und wo? Was wird zusammen verkauft? Wie entwickelt sich ein Produkt im Vergleich zur Waren-Kategorie? Mit solchen Daten, für die Ausspielung von Werbung genauso von Bedeutung wie für Bestandsplanung und Logistik, kehren die Retail-Media-Daten sozusagen zurück in das übliche Tagesgeschäft eines Händlers.
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.