US-amerikanische Einzelhändler haben derzeit beim Blick auf ihre Umsätze mehr Grund zur Freude als ihre Kollegen in Deutschland. Entsprechend gut war die Stimmung bei der diesjährigen NRF in New York, die am vergangenen Dienstag zu Ende ging. Agnes Bührmann vom Beratungshaus Publicis Sapient war beim Branchenevent dabei und beschreibt in diesem Gastbeitrag fünf Schlüsseltrends, die die Messe geprägt haben.
Bei der „NRF ’24“, der Einzelhandelsmesse des US-Verbands National Retail Federation, die vom 14. bis 16. Januar in New York stattfand, herrschte deutlicher Rückenwind für den US-Einzelhandel. Wie John Furner, Präsident und CEO von Walmart USA und NRF-Vorsitzender, in seiner Begrüßungsrede erwähnte, übertraf das Weihnachtsgeschäft die Erwartungen und trug maßgeblich zu einem Umsatzwachstum von 5,6% im Gesamtjahr 2023 bei.
Ziel der Konferenz war es, diesen positiven Trend zu verstetigen und durch den Austausch von 40.000 Teilnehmern aus 104 Ländern und 450 Referenten Input für Innovationen zu geben. Der Veränderungsbedarf spiegelt sich in den fünf Schlüsseltrends wider, die sich im Rahmen der Messe abzeichneten:

© Publicis Sapient
Mehr als 6.000 Aussteller und 40.000 Teilnehmer aus aller Welt: Die NRF im Javits Convention Center (NYC) nennt sich nicht umsonst „Retail’s Big Show“.
1. Generative KI wird sich auszahlen und die Transformation und Personalisierung vorantreiben:
Der Fokus lag in diesem Jahr auf konkreten KI-Use-Cases, die einen echten Mehrwert bieten und sich bezahlt machen. Die Verknüpfung und Nutzung von Daten spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wie Marc Benioff, Chairman und CEO von Salesforce, treffend bemerkte: „KI entfaltet nur dann ihre volle Wirkung, wenn sie in den Daten verankert ist.“
In diesem Zusammenhang betonten viele Experten, dass eine erfolgreich implementierte KI-Strategie das Potenzial hat, den Einzelhandel grundlegend zu verändern, indem sie maßgeschneiderte Kundenerlebnisse ermöglicht und gleichzeitig die Effizienz und Automatisierung interner Prozesse steigert. Die Fähigkeit der KI, große Datenmengen zu analysieren und daraus personalisierte Empfehlungen und Maßnahmen abzuleiten, wurde von einigen Anbietern beispielsweise für den Modebereich vorgestellt – von der personalisierten Empfehlung im Onlineshop bis hin zur Visualisierung im Store.
2. Retail Media Networks (RMNs) avancieren zum Umsatz- und Wachstumstreiber
Erstmals wurde diesem Thema auf der NRF ein eigenes Programm mit über 400 Teilnehmern gewidmet. Auch in den Gesprächen war es sehr präsent. Alle Einzelhändler suchen nach intelligenten Lösungen, um ihre Flächen und Ressourcen optimal zu nutzen und zusätzliche Umsätze zu generieren.
RMNs bieten Einzelhändlern die Möglichkeit, ihr Geschäft durch gezielte Werbung und Partnerschaften mit anderen Marken zu erweitern und zu diversifizieren.Sie können ihr bestehendes Inventar, ihre Kundenbeziehungen und Daten nutzen, um personalisierte und relevante Angebote zu erstellen, die sowohl für die Kunden als auch für die beteiligten Unternehmen einen Mehrwert schaffen.
Der digitale Werbemarkt wächst von Jahr zu Jahr. Für 2023 schätzen Experten die Ausgaben für Retail Media in den USA bereits auf über 52 Milliarden Dollar, in der EU auf 15 Milliarden Dollar. Das Potenzial dieses neuen Wachstumsmarktes ist noch lange nicht ausgeschöpft.
3. D2C wird entscheidend für den Markenaufbau
Michelle Gass, die Ende Januar den CEO-Posten bei Levi’s übernimmt, betonte die Bedeutung von D2C-Strategien. Sie sieht die 3.000 Läden als Basis für die Marke und direkten Zugang zum Kunden. Nach Jahren der Investitionen in den Onlinehandel rückt nun ein ausgewogener Ansatz zwischen stationärem Handel und E-Commerce in den Fokus. Dafür ist es unabdingbar, eine nahtlose Verbindung zwischen den beiden Kanälen zu schaffen, um den Kunden ein einheitliches und unvergessliches Einkaufserlebnis zu bieten.
4. Re-Commerce, Second Hand und Nachhaltigkeit gewinnen als besondere Omnichannel-Form an Bedeutung
Während auf der einen Seite schnelllebige Modeanbieter wie Temu und Shein den US-Markt erobern, wählt die Generation Z Nachhaltigkeit als entscheidendes Kriterium für ihre Kaufentscheidungen. Auf der NRF diskutierten Einzelhändler ihre Ansätze zur Kundenbindung durch Re-Commerce-Optionen in ihren Kanälen. Es wurden unterschiedliche Modelle vorgestellt, die sich auf die Kreislaufwirtschaft konzentrieren und es den Kunden ermöglichen, gebrauchte Produkte zurückzugeben oder umzutauschen, was sowohl den Umweltschutz fördert als auch die Kundenbindung stärkt.
5. Konsistente Kundenerlebnisse in jedem Kanal
Radikale Kundenzentrierung ist nach wie vor der Erfolgsfaktor im Wettbewerb. DICK’S Sporting Goods ist ein Paradebeispiel für eine sich ständig anpassende Marke mit kundenorientierter Ausrichtung. Executive Chairman und Miteigentümer Edward W. Stack erläuterte, wie über alle Kanäle und Jahrzehnte hinweg kontinuierliches Wachstum erzielt wurde. Dabei lebt das Unternehmen die Kundenorientierung in allen Aspekten und unterstreicht dies durch die Positionierung des Kunden an der Spitze des Diamantorganigramms, um die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden stets im Blick zu behalten.
Praxisbeispiele und Erfolgsgeschichten
Das Potenzial von KI, RMNs und Kundenorientierung waren die beherrschenden Themen der diesjährigen NRF. Im Vergleich zu 2023, als konkrete Anwendungsfälle noch unklar waren, standen nun Praxisbeispiele und Erfolgsgeschichten im Vordergrund. E-Commerce und stationärer Handel sind dabei zwei Seiten einer Medaille, deren nahtlose Kombination zum Erfolgsfaktor des Einzelhandels wird.
Aber: Jeff Bezos sagte einmal, man solle sich auf das konzentrieren, was langfristig Bestand haben wird. Kunden erwarten auch in Zukunft qualitativ hochwertige Produkte, guten Service und attraktive Preise. Diesen Zielen müssen sich die genannten Trends unterordnen.