Smartphone-Reparaturen lohnen sich wirtschaftlich häufig nicht. Das darf nicht sein, findet Philipp Gattner, CEO des Recommerce-Pioniers Rebuy. Er fordert endlich klare Regeln vom Gesetzgeber – und plädiert für ein Recht auf Reparierbarkeit.
Allein im Jahr 2022 wurden laut Schätzungen weltweit rund fünf Milliarden Mobiltelefone verschrottet. Aufgestapelt entspräche dies einem Turm von etwa 50.000 Kilometern Höhe. Oft liegen die Gründe für die Entsorgung des Altgeräts beim schwächelnden Akku oder einem gebrochenen Display. Dabei müsste häufig aus technischen Gründen gar nicht das ganze Smartphone ausgetauscht werden.
Nachhaltig ist so ein Komplettaustausch schon gar nicht. Dabei ist die Nachhaltigkeitsformel so einfach wie verständlich: Was lange funktioniert, muss nicht neu gekauft werden. Was sich reparieren lässt, muss nicht entsorgt und rohstoff- und energieintensiv neu hergestellt werden. Die Kreislaufwirtschaft basiert also auf einer langen Verwendbarkeit – möglicherweise auch durch mehrere Besitzer.

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Milliarden von Mobiltelefonen werden jedes Jahr weltweit verschrottet.
Neukauf darf nicht günstiger sein als Reparatur
Bei elektronischen Geräten sind Reparatur und Wiederaufbereitung der beste Weg, um Produkte nachhaltiger zu machen. Recommerce-Unternehmen haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt: Beim sogenannten „Refurbishment“ von Smartphones und Co. werden gebrauchte Geräte angekauft, geprüft, gereinigt, wenn nötig repariert und anschließend quasi generalüberholt mit Garantie weiterverkauft.
Die Politik definiert die Ziele, Unternehmen entwickeln Ideen zur Umsetzung. Aber die Probleme beginnen bereits beim Design der Geräte. Displays sind beispielsweise verklebt und nicht verschraubt. Dazu kommt das Problem mit Original-Ersatzteilen, die nur für eine kleine Gruppe lizenzierter Partner vorgehalten werden. Gleichzeitig verhindern elektronische Sperren oft das Verbauen nicht-originaler Ersatzteile. Das macht die Reparatur aufwändig und teuer.
Dass es häufig günstiger ist, ein defektes Produkt gegen ein neues auszutauschen anstatt es zu reparieren, ist weder nachhaltig noch wirtschaftlich vernünftig. Anbieter von gebrauchten und wiederaufbereiteten Geräten könnten viel mehr Geräte im Kreislauf halten, wenn sie einfacher reparierbar wären. Doch aktuell können sie immer häufiger die hohe Nachfrage nach gebrauchten Geräten nicht bedienen. Der Ankauf ist dabei der Flaschenhals.
Die Kreislaufwirtschaft braucht das Recht auf Reparierbarkeit
Die Bundesregierung redet bislang lediglich davon, „Anreize zu schaffen“ und die EU-Kommission kam erst am 7. Dezember 2023 zusammen, um sich weiter mit dem Thema zu befassen. Die Verhandlungsführer aus dem EU-Parlament, der EU-Kommission und dem Rat beraten, um die Details eines europäischen Rechts auf Reparatur festzulegen. Ein Ergebnis wird im ersten Quartal 2024 erwartet. Anschließend wird der Beschluss in nationales Recht überführt.
Doch wir brauchen schnell wirksame Rahmenbedingungen für eine leichtere Reparierbarkeit.
Aufklärung schon beim Kauf
Ein Recht auf Reparierbarkeit könnte beispielsweise Verbraucher bereits beim Kauf aufklären: Wie leicht lässt sich dieses Smartphone reparieren? Außerdem brauchen unabhängige Werkstätten Zugriff auf Produkt- und Reparaturinfos der Hersteller. Genormte Ersatzteile erleichtern den Austausch zusätzlich.
Maßnahmen wie diese würden Geräte länger am Leben lassen und die Reparatur erleichtern. Wir bei Rebuy müssen jährlich ca. 5% der Produkte ablehnen bzw. verschrotten, da sie unbrauchbar für die Wiederverwertung sind – obwohl aus technischer Sicht noch voll funktionsfähig.

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Eine repräsentative Rebuy-Umfrage im März 2023 zeigte: Für 57% der Befragten ist das entscheidende Kriterium bei einer Smartphone-Reparatur, dass die Reparaturkosten wirtschaftlich sinnvoll sind.
Dabei wäre das Recht auf Reparatur Impulsgeber für nachhaltige Veränderungen:
- Reparatur macht uns unabhängiger von Rohstoffimporten
Die größte Rohstoffquelle für Elektrogeräte im rohstoffarmen Europa sind gebrauchte Produkte. Um sie zu aktivieren, braucht es ein Recht auf Reparierbarkeit. Gleichzeitig sind Reparaturen ressourcenschonend und vermeiden Müll. - Die Reparierbarkeit von elektronischen Geräten ist ein europäisches Thema
Frankreich hat bereits 2021 einen “Reparatur-Index” eingeführt: Eine Bewertungsampel, ähnlich dem Energie-Label, zeigt an, wie leicht ein Gerät zu reparieren ist. Oder Österreich mit dem “Reparaturbonus”: Wer kaputte Elektro- und Elektronikgeräte reparieren lässt, bekommt 50% der Reparaturkosten vom Staat zurück. Das sind sinnvolle Ansätze, von denen wir lernen können. Die laufenden Gespräche auf europäischer Ebene wecken zudem Hoffnung auf die Schaffung länderübergreifender Reparaturstandards. - Die Zeit ist reif für nachhaltige Wirtschaftsmodelle
Die Krisen unserer Zeit zwingen uns zu einem Umdenken. Wir brauchen jetzt umsetzbare Wirtschaftskonzepte im Sinne der Nachhaltigkeit. Die Circular Economy ist dafür ein großartiges Beispiel. Sie bietet ein niedrigschwelliges Angebot, das mit wenigen Rahmenbedingungen funktioniert. Ziel ist es, den Innovationsschub der letzten Jahre (z.B. im Rahmen von Automatisierung und Robotik) in ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell zu überführen.