Die meisten Kaufentscheidungen basieren nicht auf logischen Überlegungen, sondern sind maßgeblich durch Gefühle, Erinnerungen und Assoziationen beeinflusst. Jede E-Commerce-Strategie sollte daher die Psychologie des Käufers berücksichtigen, sagt Etailment-Experte Michael Witzenleiter. In diesem Beitrag erklärt er, warum Konsumenten oft emotional statt rational entscheiden.
Kaufentscheidungen werden maßgeblich durch psychologische Prozesse bestimmt, Strategien für den E-Commerce sollten daher die Psychologie des Käufers berücksichtigen. So profitiert die Präsentation des Produktangebots davon, wenn die Anbieter bei der Erstellung psychologische Perspektiven miteinbeziehen und dadurch kognitive Dynamiken aufgreifen.
Informationsflut und Denkprozesse
Im Onlinehandel besteht ein Spannungsfeld aus einer komplexen Entscheidungsfindung auf Käuferseite und einer Flut an Informationen durch die Breite an Angeboten. Ein Käufer steht nicht nur vor einer Vielzahl an Produkten, sondern auch vor den dazugehörigen Produktinformationen. Hier einen ganzheitlichen Überblick zu bekommen und detailliert abzuwägen, ist meist unpraktikabel.

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Bei jedem Kaufprozess müssen Onlinekunden in kurzer Zeit zahlreiche Mikroentscheidungen treffen und gehen dabei oft eher intuitiv als rational vor.
Der Umgang mit dieser Situation lässt sich anhand eines Modells des Psychologen Daniel Kahnemann erklären. Danach findet der Denkprozess über zwei Systeme statt: System 1, welches reaktionsschnell und instinktiv handelt, und System 2, das langsamer, aber dafür überlegter reagiert.
Sind schnelle Urteile gefragt, kommt das impulsive System 1 zum Einsatz, das auf automatische Assoziationen zurückgreift und dadurch anfällig für Fehleinschätzungen ist. Um komplexe Probleme zu lösen, ist das methodische und reflektierte System 2 geeignet. Dieses bedarf allerdings bewusster und zielgerichteter Anstrengung – System 2 ist daher gründlicher, aber auch anfällig für Ermüdung.
Viele Mikroentscheidungen begleiten den Kaufprozess
Abhängig vom Produkt sind beide Systeme aktiv und damit auch verschiedene Denkmuster. Für eine erfolgreiche Customer-Journey ist es entscheidend, die Motivationen der potenziellen Käufer zu verstehen, denn auf dem Weg zum abgeschlossenen Kauf müssen sie diverse Mikroentscheidungen treffen.
Dabei handelt es sich etwa um Klicks auf der Webseite oder das Bedienen eines Sliders. Einzeln erfordern sie zwar kaum Aufwand, aber in der Summe werden sie zu einem möglichen Hindernis, da Käufer hier oft eher intuitiv als rational entscheiden. Um sich schneller entscheiden zu können, weichen sie oft auf irrationale Denkmuster aus.
Dazu kommt auch, dass jedes Produkt ein eigenes Informationsbedürfnis auslöst. Die Anforderungen an die Informationen und die emotionale Resonanz variieren je nach Produkt. Für eine möglichst gute Benutzererfahrung ist es daher grundlegend, die emotionalen, aber auch rationalen Ansprüche an ein Produkt und dessen Darstellung zu verstehen.
Der erforderliche Grad an Informationen fällt dabei unterschiedlich aus. Einige Produktarten haben den Schwerpunkt auf der rationalen Ebene. Die Käufer tendieren dabei dazu, die Informationen genau zu analysieren. Das ist etwa bei Elektrogeräten der Fall, die von einer übersichtlichen Darstellung von Zahlen und technischen Fakten profitieren.

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Sprache und Tiefe einer Produktbeschreibung sollten sich nach zwei Dimensionen richten: Beteiligung und Emotionalität. Produkte mit hoher Beteiligung und Schwerpunkt auf Kognition, wie beispielsweise Smartphones, erfordern eine intensive Informationsübermittlung. Emotionale Produkte hingegen überzeugen mit Bildern und Geschichten.
Bei anderen Produkten liegen das Emotionale und die verbundenen Werte im Fokus, wie bei Mode- oder Sportartikeln, für die eine ansprechende visuelle Aufmachung Mehrwerte bietet. Das Informationsangebot sollte sich also an dem konkreten Artikel sowie dessen Marke ausrichten und für die Informationsansprüche seiner Käufer optimiert sein.
Die Kundenbrille aufsetzen
Eine ansprechende Produktpräsentation lässt sich am besten aus der Kundenperspektive erstellen. Denn die Bedürfnisse und das Verhalten der Nutzer sind genauso wichtig wie die rein technischen Aspekte. Das Ziel sollte dabei sein, die Nutzererfahrung effektiv und zielgerichtet zu gestalten und dabei emotional sowie rational zu überzeugen.
Einige Fragen sind grundsätzlich und unabhängig vom konkreten Produkt relevant. Antworten für sie zu finden, ist daher in jedem Fall ratsam. Jedes Produkt spricht ein Bedürfnis beim Nutzer an – welche sind es genau und welche Emotionen sind damit verbunden? Im Gegenzug gibt es auch mögliche Einwände, die vom Kauf abhalten – bietet das Produkt die richtigen Funktionen, passt es zum Lifestyle des Nutzers?

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Die Produktpräsentation hängt auch davon ab, wie Bilder und Text sinnvoll zusammenwirken können, also welche Rolle visuelle Elemente im Verhältnis zum Text haben. Sollen sie ein Blickfänger sein oder dienen sie primär zur Identifikation? Daran anschließend ist es hilfreich, die Produktinformationen zu priorisieren. Was ist wirklich wichtig für den Nutzer; welche Details sind entscheidend für die Kaufentscheidung? Dabei sind auch die Angebote von Wettbewerbern zu beachten.
Mit den Antworten auf diese Fragen lässt sich der Status quo einer Produktdetailseite analysieren, um Hypothesen auszuformulieren. Mit Testszenarien lässt sich dann überprüfen, wie die Seite optimiert werden kann, um den Bedürfnissen und Erwartungen der Nutzer gerechter zu werden. Neben einer höheren Kundenzufriedenheit kann das auch die Conversion-Rate steigern.