
Personalsuche
von Stefan Becker am 19. Juni 2025
Wer Personal sucht, hat gute Chancen abseits der klassischen Wege. Sogenannte EAAs helfen Händlern, die Menschen mit Behinderung einstellen möchten.
Eine Weinhandlung in Darmstadt beschäftigt zwei Mitarbeiter mit Down-Syndrom. In einer Buchhandlung in Frankfurt am Main erledigt einer der Kassierer alles mit Gesten und beschrifteten Karten, vor ihm ein Schild: „Ich kann leider nicht sprechen.“ In einem Frankfurter Kaufhaus sitzt eine Mitarbeiterin im Rollstuhl und berät ihre Kunden. Menschen mit Behinderung haben ihren Platz im stationären Handel – und sicher auch im E-Commerce. Händlern, die Menschen mit Behinderungen einstellen möchten, machen die Behörden es inzwischen relativ einfach.
Seit Januar 2022 wurden aufgrund des Teilhabestärkungsgesetzes überall in Deutschland Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) eingerichtet. Sie funktionieren wie Lotsen: Sie beraten Arbeitgeber zu allen Fragen der Beschäftigung, Einstellung und Ausbildung Schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen, sie binden die verschiedenen zuständigen Stellen ein und kennen die Fördermöglichkeiten.
Komplizierte Förderung
Das ist auch sinnvoll. „Die Unterstützung für die Beschäftigung behinderter Menschen ist in Deutschland gut ausgebaut, aber sehr komplex geregelt, und in jedem Bundesland kann es auch noch Sonderprogramme geben“, sagt Luigi Beltempo. Er arbeitet als Berater für die EAA, die in Darmstadt und Darmstadt-Dieburg beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft angesiedelt ist. Und es braucht einfache Zugänge: Das Gesetz schreibt vor, dass mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderungen gehen sollen. Im Bundesschnitt erfüllten nach Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 2022 nur 37,4 Prozent der Händler diese Quote.
Die EAA vermitteln nicht, dafür ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig. Aber sie unterstützen Unternehmen auf Anfrage bei der Suche nach geeigneten Bewerbern, indem sie ihre Netzwerkpartner einbinden. Und sie prüfen gemeinsam mit den Unternehmen, ob Voraussetzungen für Förderleistungen vorliegen. Sie vermitteln auch Arbeitsplatz-Begehungen mit einem Technischen Beratungsdienst oder der Agentur für Arbeit, um zu schauen, ob Umbauten nötig sind. Und welche Förderungen es dafür gibt.
… aber gute Chancen auf Förderung
Es gibt einige. Neben Zuschüssen etwa für Umbauten werden Förderungen zum Beispiel zur Beschäftigungssicherung angeboten, darunter in Einzelfällen auch Probebeschäftigungen, die stets individuell genehmigt werden müssen. „Probebeschäftigungen rege ich gerne an, wenn Bedenken über die Eignung bestehen“, sagt Beltempo. „Das ermöglicht eine risikofreie Prüfung, ob ein Bewerber oder eine Bewerberin für die jeweilige Tätigkeit geeignet ist.“ Die Chancen, Förderungen zu bekommen, seien recht hoch, so seine Erfahrung. Händler müssten aber in Vorleistung treten. Was sie auslegen, wird dann mit dem zuständigen Leistungsträger abgerechnet.
Angst davor, behinderte Menschen falsch anzusprechen, sollten interessierte Arbeitgeber nicht haben. „Es ist besser, offen darüber zu sprechen, was möglich ist und was nicht“, sagt Beltempo. „Das ist immer individuell zu sehen. Händler sollten vorurteilsfrei an Bewerber herangehen, aber auch klar definieren können, was gebraucht wird.“
Gute Erfahrungen
Wie erfolgreich sind Vermittlungen schwerbehinderter Menschen? Das erheben die EAA nicht, weil sie nicht vermitteln. Aber: „Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Arbeitgeber, die positive Erfahrungen gemacht haben, sehr engagiert sind, schwerbehinderte Menschen einzustellen“, so Beltempos Einschätzung.
Die Statistik „Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung“ der Bundesagentur für Arbeit jedenfalls weist nach oben: Im Wirtschaftszweig G („Handel, Instandhaltung von Kfz“) stieg die Zahl schwerbehinderter Menschen in Unternehmen mit 20 oder mehr Arbeitsplätzen von 79.205 im Jahr 2015 kontinuierlich auf 96.094 im Jahr 2022, also um 21,3 Prozent. Für private Arbeitgeber insgesamt lag die Steigerung nur bei 9,4 Prozent.
Dieser Artikel erschien zuerst in „Der Handel“.