Retail Media ist im Trend. Unabhängig von der Technik sollten Händler bei der Vermarktung „die volle Kontrolle über Daten, Werbeflächen und Monetarisierung“ behalten, sagt Magnus Aufschild. Mit der Vermarktungsplattform seines Start-ups Retailmediatools scheint ihm das zu gelingen: In dieser Woche meldete Aufschild Thalia und Idealo als Neukunden.
Retail-Media sind Werbeflächen, die Händler in ihrem Laden, ihrem Grundstück, in ihrem Online-Shop, ihren Apps oder ihren Newslettern anbieten. Das Geschäftsmodell hat „extrem viel Luft nach oben“, sagte Daniel Knapp, Chefökonom des Digitalmarketing-Verbands IAB Europe, im April 2024 auf dem „LZ Retail Media Day“. Und tatsächlich steht „die Werbeform Retail Media bei Werbetreibenden hoch im Kurs“, wie die Fokusgruppe Retail Media Ecosystem im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) im Januar nach Befragung von 35 Verantwortlichen bei Werbetreibenden in Deutschland und Österreich schrieb.
Das gelte das zusätzlich zum bereits gelernten Lower Funnel auch für den Upper Funnel. Dem BVDW zufolge sagen 83 Prozent der Befragten, dass sie Retail Media bereits zur Upper-Funnel-Aktivierung nutzen. 51 Prozent schätzen das Wirkungspotenzial von Retail Media im Upper Funnel als hoch ein, weitere 17 Prozent sogar als sehr hoch.
Auf die Frage, mit welchen Retail-Media-Anbietern sie bereits zusammengearbeitet hätten, nannten 89 Prozent der befragten Werbetreibenden Retailer beziehungsweise ihre jeweiligen Retail-Media-Networks. „Zwei Drittel haben bereits mit Netzwerk-Vermarktern kooperiert, mehr als die Hälfte mit Ad-Tech-Providern“, so der BVDW.

© Masa Yuasa
Magnus Aufschild, Gründer von Retailmediatools
Retailmediatools könnte einer davon sein. Das Ad-Tech-Start-up aus Berlin wurde 2021 gegründet mit der Idee einer Vermarktungsplattform für Retail-Media-Flächen und dem Ziel, dass Händler „die volle Kontrolle über Daten, Werbeflächen und Monetarisierung“ behalten. Sie sollen „sich von Abhängigkeiten gegenüber großen Plattformen und Intermediären lösen“, sagt Gründer Magnus Aufschild. „Wir sind überzeugt, dass sich Retail Media als eines der größten Segmente digitaler Werbung weiter etablieren wird – und wir möchten das führende Technologieunternehmen sein, das diesen Wandel partnerschaftlich mit den Händlern gestaltet.“
Große Worte – aber die Kundennamen sprechen dafür: Drogeriemarkt-Betreiber Rossmann und Quick-Commerce-Anbieter Flink stehen bereits auf der Kundenliste, in dieser Woche kam die Pressemitteilung, dass auch Buchhändler Thalia und die Preisvergleichsplattform Idealo auf die Plattform von Retailmediatools gehen.
Auch kleinere Händler könnten das System nutzen, sagt Aufschild. „Allerdings sollte ein Händler mindestens einige Millionen Werbeeinblendungen pro Monat über die eigenen Kanäle – seien es Online-Shop, App oder digitale Screens in den Filialen – generieren können“, schränkt er ein. „Idealerweise erreicht er dabei wenigstens monatlich 500.000 Kundinnen und Kunden.“
Im Interview mit Etailment.de erläutert Magnus Aufschild Idee und Geschäftsmodell von Retailmediatools.
Mal ehrlich und ohne Buzzwords: Wie würden Sie Ihren Eltern das Start-up erklären?
Wir helfen Handelsunternehmen dabei, ihre eigenen digitalen Kundenkanäle wie Online-Shop, App oder Bildschirme in Filialen als zusätzliche Einnahmequelle zu nutzen. Dafür stellen wir ihnen eine Software-Plattform zur Verfügung, mit der sie Werbeflächen an Markenpartner vermarkten können – ähnlich wie im Supermarkt Regalplätze vermietet werden. Beispielsweise kann nun die Marke Nivea im Online-Shop von Rossmann beim Suchbegriff „Shampoo“ gegen Entgelt ganz oben im Suchergebnis stehen. Unsere Software sorgt dafür, dass die beworbenen Produkte auch zum Suchbegriff passen, so entsteht ein Gewinn für Endkunden, Händler und Marke.
Wie beschreiben Sie Ihr Geschäftsmodell einem möglichen Partner in 280 Zeichen?
Retailmediatools liefert Händlern eine modulare, cloud-native Plattform, mit der sie ihre eigenen digitalen Kanäle als Werbefläche vermarkten können – unabhängig, flexibel und vollständig in ihrer Kontrolle.
Händler gewinnen zusätzliche Werbeerlöse, indem sie gesponserte Produkte, Banner-Werbung oder andere Werbeformate an ihre Marken verkaufen können.
Welche Unternehmen/Kunden konnten Sie bereits überzeugen?
Wir arbeiten bereits mit renommierten europäischen Handelsunternehmen zusammen, darunter Rossmann, die finnische Handelsgruppe S Group sowie der internationale Quick-Commerce-Anbieter Flink.
Das Interesse auf Handelsseite ist derzeit riesig. Wir stehen aktuell mit mehreren weiteren großen europäischen Handelsunternehmen in fortgeschrittenen Gesprächen und gehen davon aus, schon in den kommenden Monaten weitere bedeutende Partnerschaften und Rollouts bekanntgeben zu können.
Mit wem würden Sie gerne ins Geschäft kommen?
Unsere Plattform richtet sich vor allem an Handelsunternehmen, die Retail Media als eigenständige, strategische Umsatzquelle aufbauen oder professionalisieren möchten. Besonders großes Interesse sehen wir aktuell bei Unternehmen aus den Bereichen Lebensmittelhandel, Drogerie, Consumer Electronics, DIY sowie im Quick-Commerce. Wir sprechen bewusst Händler an, die nicht von externen Plattformen abhängig sein wollen, sondern ihr Retail-Media-Geschäft eigenständig steuern und ihre First-Party-Daten optimal nutzen möchten. Egal, ob nationaler Filialist oder internationale Handelsgruppe: Unser System ist so konzipiert, dass es sich flexibel und nahtlos in bestehende Systeme integrieren lässt – ganz ohne externe Integratoren oder komplizierte Projekte.
Was war die wichtigste Erkenntnis seit dem Start?
Unsere wichtigste Erkenntnis war, dass Händler nicht einfach nur ein Retail-Media-System „on top“ wollen oder separate Einzel-Lösungen für Sponsored Products und Banner, sondern eine vollständig integrierte Lösung, die sich nahtlos in ihre bestehende Systemlandschaft einfügt. Viele bestehende Lösungen am Markt sind zu komplex, zu fragmentiert oder verlangen den Einsatz externer Dienstleister, was Händler langfristig abhängig und langsam macht.
Deshalb haben wir uns für einen Retailer-First-Ansatz entschieden: Unsere Plattform ist API-first, modular und headless aufgebaut und lässt sich vollständig in bestehende Prozesse und Workflows der Händler integrieren. Außerdem wird für Händler ein eigenes Self-Service-User-Interface immer wichtiger, also die Möglichkeit, den Werbepartnern eine Buchungsplattform zur Verfügung zu stellen, mit der sie in Echtzeit Kampagnen planen und einstellen können. Bei uns ist das eine Standard-Funktionalität. Genau diesen Anspruch decken wir mit unserer Technologie und unserem Service ab.
Auf welche Erfolgszahl sind Sie besonders stolz?
Wir sind stolz, in sehr kurzer Zeit gleich mehrere große Handelsunternehmen als Kunden gewonnen zu haben. Ein ganz besonderes Highlight ist, dass unser System selbst bei zig Millionen von Ad-Server-Anfragen im Schnitt in unter zehn Millisekunden antwortet. Dafür bekommen wir auch regelmäßig positives Feedback unserer Kunden, da Werbung natürlich nicht durch lange Ladezeiten den Einkaufsprozess der Konsumenten stören soll. Unser System muss aber trotzdem innerhalb der Antwortzeit die entsprechenden Werbekampagnen hinsichtlich Gebot, Relevanz, Kontext, Filterbedingungen, Out-of-Stock, Filialverfügbarkeiten usw. korrekt ausspielen.
Welche Schlagzeile über Ihr Start-up würden Sie gerne in fünf Jahren in einer Wirtschaftszeitung lesen?
„Retailmediatools ist Europas führender Anbieter für unabhängige Retail-Media-Infrastrukturen – Händler haben ihr Retail-Media-Geschäft erstmals vollständig in eigener Hand.“