Auch große Händler arbeiten noch an der Verknüpfung von stationärem und Onlinegeschäft. Bezahlprozesse spielen dabei eine wichtige Rolle – eine einheitliche Payment-Plattform für alle Kanäle ist die Voraussetzung für echte Omnichannel-Angebote.
Einen ungewöhnlich offenen Blick ins Unternehmensinnere gewährte Tchibo während der Retail-Technology-Messe „EuroCIS 2024“: Die Vertriebskanäle des Unternehmens – Stores, Onlineshop und Shop-in-Shop-Auftritte im Einzelhandel – sind als Silos organisiert, sagte Christoph Kastaun, Director Information Technology bei Tchibo. Sie haben also je ihre eigene Technik, ohne großen Austausch untereinander.
Um das zu ändern, setze Tchibo die Omnichannel-Prozesse völlig neu auf. Erstens würden die Kundenkontaktpunkte stärker digitalisiert, zweitens sei eine neue Kundendienst-Plattform geplant, und drittens soll es „eine nahtlose Omnichannel-Plattform“ geben. Das ist nach Kastauns Worten ein mehrjähriges Projekt.

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Tchibo hat angekündigt, seine Omnichannel-Prozesse völlig neu aufzustellen.
Omnichannel als Herausforderung
Selbst große Händler in Deutschland müssen also noch einiges für das „omni“ in „Omnichannel“ tun. Von Payment-Prozessen ist bei Tchibo nicht explizit die Rede, sie dürften aber ein wesentlicher Teil des Projekts sein. Wie Henning Brandt sagt, Head of Communication des Payment-Service-Providers Computop, ist Omnichannel derzeit eines der wichtigsten Themen für den Zahlungsdienstleister: „Die Unternehmen versuchen intensiv, die stationäre und die Onlinewelt zusammenzubringen“, sagt er. „Das in der Tiefe umzusetzen ist eine echte Herausforderung.“
Auch im Payment hätten viele Unternehmen noch verschiedene Systeme für die verschiedenen Kanäle. „Für effiziente Abholservices müssen die Mitarbeiter in ihren Systemen aber sehen können, ob ein Kunde das Produkt im Onlineshop schon bezahlt hat oder nicht“, sagt Brandt.
Wenn Kunden Produkte zurückgeben möchten – alles andere als eine Seltenheit im Onlinegeschäft-, brauchen alle Kanäle zudem Zugriff auf Vorgänge und Transaktionen. Denn Erstattungen müssen denselben Weg gehen wie die ursprüngliche Bezahlung, und die Abwicklung muss wiederum auf allen Kanälen nachvollziehbar sein.
Auch Payment-Dienstleister Adyen sieht die Klüfte zwischen den Silos: „Die meisten Zahlungsanbieter und Banken arbeiten nicht mit einer einzigen Plattform, Point-of-Sale und E-Commerce sind oft zwei getrennte Welten“, sagt Hella Fuhrmann, Country Managerin DACH bei Adyen.
Für Fuhrmann bietet die Verknüpfung ebenfalls große Chancen – die Retoure des Onlinekaufs im Geschäft samt Rückabwicklung des Payments spare Kosten und ermögliche besonders für höherwertige Waren einen neuen Beratungskontakt. „Und in Luxus-Geschäften wird mittlerweile das Bezahlen zum Teil von der Kassentheke entkoppelt“, sagt sie. „Man kann dort die neuen Schuhe direkt auf der Couch über die Smartphone-App zahlen.“
Keine Basteleien
Was also tun, wenn die Kanäle mit verschiedenen Payment-Systemen laufen – nach Brücken suchen, die die Silos miteinander verbinden? „Wir empfehlen das nicht, das ist genau das Gegenteil von Unified Commerce“, sagt Hella Fuhrmann. „Prozesse zur Überbrückung der Kluft sind ressourcenintensiv und oft nicht effektiv.“
Also alles rauswerfen und von Grund auf neu bauen wie Tchibo? Die Maximallösung muss nicht sein – aber „wenn Sie Online- und stationäre Zahlungen nicht zum selben Payment-Dienstleister bringen, können Sie Omnichannel gleich vergessen“, sagt Henning Brandt. Hella Fuhrmann stimmt zu: „Die optimale Verknüpfung verschiedener Verkaufskanäle funktioniert im Grunde nur mit einer Ein-Plattform-Lösung.“
Die reine Zahlungsabwicklung steht gar nicht mal allein im Mittelpunkt. Euro Kartensysteme arbeitet daran, die Abwicklung von Treuepunkten in die Girocard zu integrieren – und Loyalty-Programme haben auf allen Kanälen Sinn. Betrugsversuche mit gestohlenen Kreditkarten oder durch Missbrauch von Rückgaben schließlich lassen sich auf einer einheitlichen Plattform leichter erkennen.
Zahlungsdienstleister wären also diejenigen, die die Ströme aus den Kanälen zusammenführen sollten. Aber auch sie können das nicht immer, sagt Henning Brandt von Computop. Oft hätten Dienstleister ihre Zahlungssysteme für den Point-of-Sale und für Onlineshops getrennt gekauft und nicht verknüpft. „Das ist ein Problem der Konsolidierung im Payment-Markt.“
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.