Die EU will Instant Payment, die sogenannte Echtzeitüberweisung, zum Standard machen. Was für den Handel dabei herausspringt, ist noch offen – die Anwendungen werden gerade entwickelt und diskutiert.
Instant Payment wird in der Breite kommen. Überweisungen sollen künftig nicht innerhalb weniger Tage beim Empfänger eintreffen (wie früher), auch nicht bis zum nächsten Werktag (wie derzeit üblich), sondern innerhalb von zehn Sekunden. Die Europäische Union beschleunigt die bisher eher gemächliche Umsetzung der Idee per Verordnung: Alle Banken sollen Instant Payment anbieten müssen (statt wie bisher ein Großteil), und zwar ohne Mehrkosten für die Kundschaft (statt wie bisher oft gegen Aufpreis).
Die Entscheidung des EU-Parlaments für die neue Verordnung fiel am 7. Februar. Schon im November hatten Ministerrat und Parlament per Pressemitteilung die politische Einigung gemeldet. Die EU-Staaten müssen formell noch zustimmen, nach Inkrafttreten der Vorschrift haben sie zwölf Monate Zeit, sie umzusetzen.
© IMAGO / Wirestock
In zehn Sekunden aufs Konto: Die EU will die Umsetzung von Instant-Payment-Verfahren nun per Verordnung beschleunigen.
Ziel: mehr Unabhängigkeit
Die EU sagt ganz klar, warum sie das vorantreibt: „Die neuen Vorschriften werden die strategische Autonomie des europäischen Wirtschafts- und Finanzsektors verbessern, da sie dazu beitragen, übermäßige Abhängigkeiten von Finanzinstituten und Infrastrukturen aus Drittländern zu verringern“, heißt es in der Mitteilung des Ministerrates vom November. „Instant Payment ist die Chance, verlorenes Terrain etwa von Paypal und Applepay zurückzuholen“, formuliert es Dirk Schrade, stellvertretender Leiter des Zentralbereichs Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme bei der Deutschen Bundesbank.
Je mehr Verbraucher über zentrale Online-Echtzeitdienste wie Paypal oder „Sofortüberweisung“ von Klarna zahlen, desto stärker wird ihre Marktbedeutung, sie sind ja auch eine Art Banken. Eine zentrale Instant-Payment-Struktur aber, so Ulrich Binnebößel, Leiter der Abteilung Zahlungsverkehr im HDE, „ermöglicht es, dass sowohl Kunden als auch Handel ihre Banken und Dienstleister behalten. So geht die Bankenvielfalt nicht verloren.“
Das Verfahren gibt es seit 2017: den Standard „Sepa Credit Transfer Instant“ (SCT Inst) des Eurosystems. Fast 90% der deutschen Kreditinstitute (1127 von 1274) bieten nach Zahlen des European Payment Council die Zahlungsart an. Was die Nutzung angeht, liegen aber andere Länder wie Spanien, die Niederlande und das Baltikum deutlich vor Deutschland. Das „New Normal“, das der HDE erwartet, ist noch nicht in Sicht.
Nicht genug Funktionen?
Allerdings ist auch noch nicht ganz klar, was genau der stationäre Handel von Instant Payment haben wird. Denn erstens ist eine Echtzeitüberweisung immer noch eine Überweisung: Sie bringt Geld von A nach B, mehr nicht, und zwar nicht rückholbar. „Stationäre Händler brauchen aber mehr Funktionen, etwa die Stornierung von Beträgen oder Teilbeträgen“, sagt Peter Blasche, der bei Euro Kartensysteme das Product Management Girocard verantwortet und entsprechend auf die Vorteile der Kartenzahlung hinweist, vor allem die Schnelligkeit.
Tatsächlich ist es vor allem ein Prozessschritt, der Girocard und Instant Payment unterscheidet: Per Girocard wird die Zahlung im Kassenterminal sofort autorisiert, der Händler erhält eine Zahlungszusage und kann die Ware freigeben. Die eigentlichen Zahlungen erfolgen später in Tranchen. Diese Zweiteilung gibt es im Instant Payment zunächst nicht – es wird überwiesen, und fertig. Die Übermittlung der Information „Geld ist da!“ ans Kassensystem müsste noch organisiert werden. Und könnte vermutlich zumindest an Supermarkt-Kassen zu lange dauern.
„Instant Payment ist aus meiner Sicht noch nicht so weit, dass es die Anforderungen an der Kasse erfüllt“, bilanziert Girocard-Manager Peter Blasche. Es fehlen Anwendungen. Henning Brandt vom Zahlungsdienstleister Computop sieht derzeit eher spezielle Use Cases, in denen ein Lieferant sicher sein will, sein Geld sofort zu bekommen: im B-to-B-Geschäft etwa bei der Belieferung neuer Kunden oder von kleinen Onlineshops, im B-to-C-Geschäft wäre der Gebrauchtwagenkauf ein Anwendungsfall.
„Wero“ als Europa-App
Die European Payment Initiative (EPI), ein Verbund von 16 europäischen Banken und Dienstleistern, hat sich auf die Fahne geschrieben, eine paneuropäische Instant-Payment-Lösung zu entwickeln. Mitte Dezember 2023 waren zehn Euro, die von der Sparkasse Elbe-Elster an die französische Bank BPCE flossen, eine Pressemitteilung wert. Die Überweisung über die Bezahl-App „Wero“ der EPI sei „ein technischer Meilenstein“.
„Wir wollen den Spagat zwischen Kartenzahlungen und Überweisungen schaffen“, sagt Fabian Mansfeld, Chief Acceptance Market Strategy Officer der EPI. „Wero“ ermöglicht eine Autorisierung mit Zahlungsgarantie samt Anforderung vom Konto der Kunden. Die Zahlung geht zunächst an einen Acquirer und je nach Vertrag an den Händler. Die Kommunikation mit der Ladenkasse werde mit „Leuchtturm“-Händlern, die EPI derzeit kontaktiere, erarbeitet. Geplant sei jedenfalls, „Wero“ ohne Zusatzkosten für die Endkunden in die Apps der Banken zu integrieren und als eigene App der EPI herauszubringen.
„Instant Payment ist die Chance, verlorenes Terrain von Paypal und Applepay zurückzuholen.“
„Wenn sich Instant Payment durchsetzt, werden die anderen Zahlungsarten nicht sterben“
Eine andere mögliche Anwendung ist „Request-to-Pay“. Dabei senden Unternehmen Zahlungsanforderungen an ihre Kunden, die die Zahlung im Online-Banking freigeben – sie wird dann sofort abgewickelt. Anfang Dezember meldete die DZ Bank die Premiere einer solchen Zahlung an die R+V Versicherung über die Plattform Paycy. Die Pilotphase soll sechs Monate dauern, kündigt die DZ Bank an. Anschließend sei geplant, das Angebot allen Kunden der Genossenschaftsbanken zur Verfügung zu stellen.
Im Onlinegeschäft stellt sich Ulrich Binnebößel vom HDE einen Check-out-Button „Pay by Bank“ vor, der über einen QR-Code eine vorausgefüllte Überweisung erzeugt – eine Funktion des sogenannten Open Banking. Es ist noch einiges an Entwicklung zu leisten, wenn Instant Payment im Handel ankommen und den internationalen Dienstleistern Paroli bieten soll.
„Auf Kundenseite wartet niemand auf ein neues Zahlverfahren“, sagt Binnebößel. „Das gesamte Potenzial von Instant Payment kann sich nur entfalten, wenn es attraktive Anwendungsmöglichkeiten gibt“, erwartet denn auch Dirk Schrade von der Bundesbank. New Normal bedeutet dann, es gibt eine neue Facette: „Wenn sich Instant Payment durchsetzt, werden die anderen Zahlungsarten nicht sterben“, so Henning Brandt von Computop. „Es gibt für jede Zahlart Zielgruppen.“
Dieser Artikel erschien zuerst in Der Handel.