KI-Lösungen können das Einkaufserlebnis verbessern und Händlern betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. Doch die Integration künstlicher Intelligenz wirft viele Fragen u.a. in Bezug auf Werberecht, Datenschutz und geistiges Eigentum auf. Dr. Niels Lutzhöft und Dr. Simon Hembt von der Kanzlei Bird & Bird erklären, wie Händler rechtliche Risiken beim KI-Einsatz minimieren und Abmahnungen von Wettbewerbern oder ein Vorgehen von Behörden abwenden.
Stellen Sie sich vor, ein digitaler Spiegel im Geschäft begrüßt Sie, erkennt Ihren Stil und schlägt passende Outfits vor. Während Sie einkaufen, passen sich die Preise in Echtzeit an, und am Ende wird Ihr Einkauf automatisch erfasst und abgerechnet. Mit künstlicher Intelligenz ist dies keine Zukunftsmusik mehr.
Solche Szenarien können das Einkaufserlebnis revolutionieren und betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. Doch wie weit darf der Einsatz von KI rechtlich gehen? Eine durchdachte KI-Strategie ist entscheidend, um rechtliche Risiken zu minimieren und Abmahnungen von Wettbewerbern oder ein Vorgehen von Behörden abzuwenden.

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Smart Mirror von H&M: Die virtuelle Anprobe mit KI-Funktionen kann Kunden den Einkauf erleichtern – wenn die bereitgestellten Informationen und Bilder korrekt und transparent sind.
Welche Rechtsfragen sind betroffen?
Die Integration von künstlicher Intelligenz im Einzelhandel wirft verschiedene rechtliche Fragen auf, die unterschiedliche Rechtsbereiche betreffen. Im Werberecht kann KI-basierte Werbung schnell als irreführend angesehen werden. Zukünftig könnten durch den EU AI Act Transparenzpflichten für KI-generierte Inhalte wie Werbung eingeführt werden.
Auch der Datenschutz spielt eine wichtige Rolle, da die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Schutzmaßnahmen für die Verarbeitung von Kundendaten verlangt. Zudem sind Transparenz und Fairness im Verbraucherrecht essenziell, um sicherzustellen, dass die Verbraucherrechte gewahrt bleiben.
Schließlich können KI-generierte Inhalte das geistige Eigentum betreffen, indem sie Markenrechte oder Rechte an geschützten Produktdesigns verletzen. Ohne ein durchdachtes KI-Content-Management sind KI-Inhalte oft ungeschützt, was bedeutet, dass sie von jedem genutzt werden können.
Darf KI überhaupt in die Kaufentscheidung eingreifen?
Grundsätzlich ist es erlaubt zu beeinflussen: Wer wirbt, will überzeugen. Doch die Grenzen im Werberecht verlaufen dort, wo Unternehmen unlauter handeln, etwa Unwahres sagen, wesentliche Informationen vorenthalten oder unsachlich vergleichen. Verbraucherzentralen oder Mitbewerber können solche Praktiken abmahnen und mit einstweiligen Verfügungen stoppen.
Diese Regelungen gelten auch für den Einsatz von KI, wie bei intelligenten Spiegeln („Smart Mirrors“). Diese nutzen Augmented Reality (AR), um Produkte in realer Umgebung zu simulieren. Kunden können im Smart Mirror Kleidungsstücke in anderen Farben oder Größen sehen, ohne die Umkleide zu verlassen.
Beispiel intelligente Spiegel
Smart Mirrors sind per se zulässig. Unternehmen müssen allerdings sicherstellen, dass die bereitgestellten Informationen korrekt und transparent sind. So sollte zum Beispiel gewährleistet sein, dass der Spiegel ein Kleidungsstück nicht vorteilhafter anzeigt, als es tatsächlich aussieht. Auch integrierte Countdown-Timer, die falsche Restbestände vortäuschen oder nicht gekennzeichnete Werbung für Accessoires müssen vermieden werden.
Zudem müssen Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte beachtet werden, wenn der Spiegel die Erscheinung des Kunden simuliert. Kunden müssen klar über die Datenerfassung informiert werden. Auch ist das Recht am eigenen Bild besonders geschützt. Eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden ist daher zu empfehlen.
KI in der Produktgestaltung
Hersteller setzen KI ein, um maßgeschneiderte Produktdesigns zu entwickeln. In der Modebranche nutzt KI beispielsweise Körpermaße und Stilpräferenzen, um individuelle Kleidung zu entwerfen. Ein konkretes Beispiel ist ein KI-Tool, das für Kunden Anzüge entwirft, die perfekt sitzen und aktuelle Modetrends sowie persönliche Vorlieben in Farbe, Stoff und Schnitt berücksichtigen.
Der Einsatz von KI im Produktdesign führt jedoch zu rechtlichen Fragen im Bereich des geistigen Eigentums. Ein Schutz für Kleidungsdesigns besteht nur dann, wenn ein Mensch die kreativen Entscheidungen getroffen hat. Wenn die KI lediglich Details ergänzt oder ein bestehendes Design verfeinert, kann dennoch ein gewisser Schutz gewährleistet sein. Entwickelt die KI das Design jedoch völlig autonom, fehlt dieser Schutz häufig, was bedeutet, dass Dritte das Design möglicherweise ohne Lizenz nutzen können.
Unternehmen können ihre Schutzstrategie durch KI-Content-Management optimieren, indem sie den KI-Input steuern und geschützte Vorlagen sowie Prompts bereitstellen. Auch das Designrecht bietet Schutz für den Output. Darüber hinaus kann die Kombination von Produktdesigns mit der eigenen Marke eine zusätzliche Schutzebene schaffen.
Müssen KI-Inhalte gekennzeichnet sein?
Die Frage, ob KI-Inhalte gekennzeichnet werden müssen, kann in verschiedenen Kontexten relevant sein. Eine Kennzeichnungspflicht könnte beispielsweise dann bestehen, wenn KI in der Werbung eingesetzt wird. Verändert eine KI bestehende Produkte und erschafft zum Beispiel eine originelle Flaschenform, muss dies entsprechend gekennzeichnet werden. Andernfalls könnten Verbraucher fälschlicherweise annehmen, dass das kreativ gestaltete Getränk tatsächlich auf dem Markt verfügbar ist.
Der AI Act befasst sich ebenfalls mit solchen Kennzeichnungspflichten, insbesondere bei täuschend echt wirkenden KI-Inhalten, die Personen oder Ereignisse darstellen. Dies betrifft beispielsweise KI-generierte Werbevideos, in denen Sportler fälschlicherweise mit bestimmten Schuhen gezeigt werden. Bei vollständig neu entwickelten KI-Produkten entfallen solche Kennzeichnungspflichten jedoch in der Regel.
Ist dynamische Preisgestaltung durch KI erlaubt?
Der Einsatz von KI zur dynamischen Preisgestaltung birgt rechtliche Risiken, vor allem gemäß der Preisangabenverordnung. Preise müssen klar und transparent sein, online wie offline.
Ändern KI-Systeme Preise in Echtzeit, veralten Preisschilder schnell. Das ist irreführend und verstößt gegen Transparenzanforderungen. Im Onlinehandel gefährden ständige Preisänderungen die Preistransparenz, wenn der korrekte Preis erst im Warenkorb erscheint. Das verwirrt Verbraucher und erschwert Preisvergleiche. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Preisauszeichnungen immer aktuell und rechtlich korrekt sind.
Fazit
Der Einsatz künstlicher Intelligenz im Einzelhandel bietet immense Chancen, bereitet aber auch rechtliche Herausforderungen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die bestehenden Datenschutzbestimmungen einhalten und transparent mit ihren Kunden kommunizieren. Gleichzeitig sollten sie die Vorteile der KI nutzen, um innovative Produkte zu gestalten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.